SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wie kommt es, dass  im Urlaub die einen dahin und die anderen dorthin fahren? Dass die Reiseziele so unterschiedlich ausfallen? Eugen Roth hat darüber gemutmaßt:
„Verschieden ist, je nach den Szenen, das Ziel, das Reisende ersehnen.“
Der eine macht eine Bildungsreise. Der andere zieht einen Strandurlaub vor. Die eine sucht die Stille und die andere den Trubel. Darum folgert der Dichter: „Kurz, jeder ist vom Drang beseelt, das zu erreichen, was ihm fehlt.“  
Was ein interessanter Gedanke ist, wie ich finde! Das Ziel des Reisens nämlich einmal unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, was mir fehlt. Wo stehe ich gerade im Leben, im Beruf, in meiner Familie? Wo fühle ich mich beengt und wie möchte ich mich verändern?
Was könnte mir ein Tapetenwechsel dabei helfen? Und wo finde ich, was mir fehlt? An Ruhe und Entspannung? Oder auch im Gegenteil - an Abenteuer und Herausforderung?
Schon die Pilgerreisen früherer Zeiten hatten ja genau dieses Ziel. Herauszuführen aus den eingefahrenen Bahnen in ein anderes Leben. Seine vertraute Identität für eine Weile an den Nagel zu hängen, um Erfahrungen mit einer anderen, neuen Identität zu machen. In Berührung zu kommen mit dem Außeralltäglichem, dem Heiligen.
Dass Menschen also zu verschiedenen Zielen aufbrechen, sagt einerseits: wir haben im Alltag längst nicht alles, was wir uns erträumen. Aber wir haben gerade darum eine Sehnsucht in uns nach dem, was uns fehlt und ergänzen könnte. Und sind darum offen für ein Ziel, das für jeden zwar anders aussieht.  Aber doch darin übereinstimmt, dass es meine Sehnsucht bündelt und mir eine Antwort verspricht auf die Frage, wer bin ich eigentlich?
Der evangelische Liederdichter Paul Gerhardt hat das vor ein paar hundert Jahren so gesagt: „Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand; der Himmel soll mir werden, da ist mein Vaterland.“
Der Himmel, das ist das Anderswo meines alltäglichen Lebens. Der Drang, der mich beseelt, mich über das hinaus zu träumen, was ist. Auf das hin, was mir fehlt.
Eine Erfüllung über das Alltägliche hinaus. Danach strecken sich Menschen aus, solange sie unterwegs sind. „Kurz, jeder ist vom Drang beseelt, das zu erreichen, was ihm fehlt.“  
Ich wünsche Ihnen, dass, Sie - von diesem Drang beseelt - in Ihren Ferien- und Urlaubstagen ein Stück vom Himmel finden!

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