SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Augusttage. Der Sommer ist auf seinem Höhepunkt angelangt. In seinem Büchlein „Die dreizehn Monate“ hat Erich Kästner in heiter-melancholischer Tonart diesem Monat ein paar Zeilen gewidmet:
 „Nun hebt das Jahr die Sense hoch/und mäht die Sommertage wie ein Bauer./Wer sät, muss mähen/ und wer mäht, muss säen./Nichts bleibt mein Herz. Und alles ist von Dauer“.
Ein bisschen wehmütig betrachtet er die schon vom Abschied gezeichneten  Augustbilder in der Natur: die Stockrosen, die hinterm Zaun stehen in ihren, wie er schreibt,  „alten, brüchigseidnen Trachten.“ Die blonden und braunen Sonnenblumen.  
Natürlich weiß Kästner, dass das eine Idylle ist.  Es sind Sehnsuchtsbilder, die ein Großstädter für Großstädter notiert. Und doch sind seine Zeilen auch der Versuch, hinter die Zeichen der Natur zu kommen. Sie als Hinweise zu lesen für das, was  durch sie hindurch scheint.
Eine seltsame Paradoxie ist da zu spüren. Dass, wie er schreibt, „die Zeit vergeht, und sie dauert, und beides geschieht im gleichen Atemzug.“
Das ist ein Gedanke, der sich schon im Alten Testament findet. Im Buch des Prediger Salomo heißt es: Alles hat seine Zeit. Das Pflanzen und das Ausreißen. Das Geboren werden und das Sterben. Das Weinen und das Lachen.
Es ist ein alter Text, den ich sehr liebe. Weil soviel Weisheit darin enthalten ist. Und Wahrheit.  
„Nichts bleibt, mein Herz“, heißt es bei Kästner, „bald sagt der Tag Gutnacht./ Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht... Nichts bleibt mein Herz. Und alles ist von Dauer.“
Offenbar hält sich das Pendel von Werden und Vergehen nicht einfach die Waage. Da ist im Fluss ewigen Wandels eine Bewegung. Ein unmerkliches Gefälle auf das hin, was von Dauer ist und bleibt.
Davon spricht ausdrücklich der biblische Glaube. Er ist getragen von dem Vertrauen, dass der Grundton des Lebens trotz allem Wandel nicht verklingt. Sondern am Ende in einem großen Akkord aufgehoben ist.
Der Schöpfungsatem Gottes, der diese Welt ins Leben rief und sie in der Gegenwart belebt - er ist das Dauernde im ständigen Auf und Ab des Geschehens.
Mit der Aussicht auf diese himmlische Dauer möchte ich die sommerlichen Augusttage genießen. Ich kann sie, so sehr ich das möchte,  nicht festhalten. Aber ich weiß sie in der Hand dessen, der alle Zeit in Händen hält, gut aufgehoben.

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