SWR2 Wort zum Tag

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Die Schöpfungserzählungen der Bibel und die Evolutionslehre - ich hätte nicht gedacht, dass dieser Streit heute wieder aufflammen würde. Natürlich gab es immer Menschen, die die biblischen Texte wörtlich ausgelegt haben, also: der Schöpfergott hat durch einen unmittelbaren Eingriff den Kosmos, das Leben, den Menschen erschaffen. „Kreationis-mus“ heißt dieses Denken. Etwas aufgeklärter gibt sich der so genannte „Neokreationis-mus“, der sich als wissenschaftliche Theorie versteht und betont, man müsse die Entste-hung des Universums und des Lebens durch eine intelligente Ursache erklären. Jetzt hat uns also diese alte Diskussion wieder eingeholt – und zwar durch die Forderung, man müsse die biblische Schöpfungserzählung im Biologieunterricht behandeln. Da gehört sie nun allerdings wirklich nicht hin. Denn sie ist keine wissenschaftliche Beschreibung, son-dern sie drückt den Glauben aus, dass alles einen göttlichen Ursprung hat.
Thema der Naturwissenschaften sind dagegen Theorien über die Anfänge des Univer-sums, sind die Gesetze der Evolution, ist die Entwicklung der Artenvielfalt, sind die darin wirkenden Informationsprozesse; auch die Suche nach dem unbekannten Bindeglied zwi-schen dem vormenschlichen Leben und dem Menschen ist eine Herausforderung für die Naturwissenschaften. All dies gehört in den Biologieunterricht.
Viele Fragen der Wissenschaft haben heute noch keine Antwort, doch vielleicht schon morgen. Aber auch wenn wir noch viel mehr Erkenntnisse haben – eine Frage bleibt be-stehen: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Diese Frage hat große Philosophen bis heute bewegt. Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Was ist der Ursprung, aus dem alles kommt? Aus welcher Fülle wird uns Tag um Tag, Augenblick um Augenblick Zeit geschenkt, Zukunft eröffnet? Woraus speist sich – gegen den unausweichlichen Tod - die unerschöpfliche Kraft des Lebens? Was ist der Sinn unse-res Daseins?
Es gibt auf diese Fragen keine wissenschaftliche Antwort. Wissenschaften wollen darauf auch gar keine Antwort geben. Die Antwort „Gott“ ist eine Antwort des Glaubens. Gott. Warum nicht? Warum sollte im Wunder des Lebens und allen Daseins nicht eine Ahnung Gottes aufscheinen? Wir sollten aber auch respektieren, dass viele Menschen die Antwort „Gott“ nicht nachvollziehen können. Im wissenschaftlichen Denken hat sie keinen Platz. Aber selbst wenn alle wissenschaftlichen Fragen beantwortet sein sollten, sind die eigent-lichen Probleme des Lebens noch gar nicht berührt, sagt der Philosoph Ludwig Wittgen-tein. Dazu gehört auch die Frage nach Gott. Sie weist auf ein Geheimnis hin, vor dem es vielleicht besser ist zu schweigen als zu reden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1806
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