SWR3 Gedanken

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Gott ist Brasilianer und er weint, titelte eine Zeitung am Tag nach dem Fußballdebakel in Belo Horizonte. Heute vor drei Wochen, kurz nach halb elf abends! Im Spiel Brasilien gegen Deutschland steht es nach 29 Minuten schon 0:5. Denkwürdig, aber nicht nur wegen des Ergebnisses. Ich erinnere mich vor allem, dass ich beim fünften Tor einfach nicht mehr jubeln konnte. Die Bilder der völlig entsetzten brasilianischen Fans, gingen mir einfach nahe. Manche weinten hemmungslos. Vor allem jenes Fernsehbild eines alten Brasilianers mit schlohweißem Haar, der einen großen WM-Pokal wie eine Geliebte in den Armen hielt. Mit traurig versteinertem Gesicht stand er da und starrte auf den Rasen. Für mich war es das Bild der letzten WM. Das Bild eines Mannes, dessen Träume gerade zerstört worden sind. Wahrscheinlich sind noch ziemlich viele Träume gestorben in den letzten Wochen und jeder einzelne tut bitter weh. Denn wie sollten wir ohne Träume leben? Ohne Hoffnungen, Erwartungen und die Sehnsüchte, die sich mit ihnen verbinden.

Doch was tun, wenn so ein Lebenstraum plötzlich zerbricht? Ob nun im Fußball, im Job oder der Partnerschaft. Trauer ist da angesagt und die braucht ihre Zeit. Aber irgendwann lässt auch sie nach und dann gibt’s wieder Raum für neue Chancen, neue Aufbrüche. Manchmal sogar für eine Wende im Leben, einen echten Neustart. Mehr als einmal durfte ich selbst schon erleben, wie aus Trauer und Frust neue Energie werden kann, neue Entschlossenheit: Ich werde mich nicht unterbuttern lassen. Ich werde das schaffen. Jetzt erst recht. Den traurigen Brasilianern in Belo Horizonte habe ich das schon an jenem denkwürdigen Abend gewünscht.

 

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