SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich stehe vor meinem Koffer. Für ein Studienjahr soll es nach Südafrika gehen. Ein ganzes Jahr! Also, lieber die helle Sommerhose als die zerrissene Jeans, das Oberteil, das ich vor ein paar Monaten mit meiner besten Freundin in Köln gekauft habe, das Sommerkleid, das mir so gut steht. Sorgfältig packe ich alles in meinen Koffer. Von Frankfurt geht es über London nach Südafrika. Die Sonne scheint, es ist verdammt warm. Ich bin in einem fremden Land (Afrika! endlich!), kenn noch keinen einzigen Menschen. Ein Jahr Abenteuer!

So stehe ich an der Kofferausgabe – voller Ungeduld! Alle Koffer trudeln ein, alle holen ihre Koffer, machen sich auf den Weg. Alle – nur ich nicht. Mein Koffer kommt nicht an.
Ich fahre also ins Studierendenheim ohne Koffer, ohne Kleider, ohne Schuhe. Mit Nichts.
Und ich erlebe ein Wunder: Mitstudierende, Professoren, Mitarbeiter des Wohnheims und der Universität – von überall bekomme ich Kleider, Socken, Shorts. Wildfremde Menschen fragen mich, ob mir noch was fehlt. Helfen mir. Schenken mir alles, was ich brauche.
Mein Koffer ist nie wieder aufgetaucht, aber seither, seit meinem Auslandsjahr weiß ich, wie wichtig das ist: gegenseitige Hilfe, Mitmenschlichkeit, Solidarität. Das ist viel wichtiger als alle materiellen Schätze dieser Welt. Denn ohne Koffer kann man (über-) leben, aber ohne Hilfe nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18035
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