SWR2 Wort zum Tag

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Der indische Philosoph und Dichter Tagore hat einmal gesagt: „Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.“ Was ist so weise daran, in den Garten zu gehen? Was kann man dort sehen und erfahren? Vielleicht zuerst einmal, dass es schön ist, dass es wohl tut, sich einem Garten aufzuhalten, darin zu arbeiten, zu sitzen, spazieren zu gehen ihn zu bestaunen. In einem Garten kommen Geschenke der Natur und menschliche Arbeit zusammen.

Ich kenne Menschen, die gern auch am Sonntag in den Garten gehen und dort tätig sind. Ich sage bewusst nicht: arbeiten. Sie mähen nicht den Rasen und beschneiden keine Bäume, machen keinen Lärm. Aber sie pflanzen und pflegen mit Freude und durchaus auch mit Muße und Andacht. In der Erde wühlen, Gras und Blumen riechen, Farben sehen, Tiere beobachten. Das Wachsen erleben, abhängig von Sonne, Wind und Regen.

„Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten“, hatte Tagore gesagt. Wohl, weil wir dort etwas vom Geheimnis des Lebens verstehen, besser noch erfühlen und erspüren können. Weise Menschen gehen beim Garten in die Schule. Dort wird mir nichts erklärt, muß ich zunächst einmal nichts verstehen, sondern darf mich darin bewegen. Der Garten ist durchaus eine Lebensschule, hier ereignet sich das „Stirb und Werde“, hier ist die Kraft zu erleben, die in dem Kleinen liegt, das groß wird. Wer selber gärtnert, wirkt darin mit und lernt, dass er Leben und Wachsen nicht machen kann, aber sehr wohl behindern oder begünstigen.

Noch etwas anderes scheint mir wichtig. Ein Garten ist nicht einfach dasselbe wie „die Natur“ oder ein Wald. Garten ist ein Stück Natur, das mit Mühe der Natur auch abgerungen wird, gerodet, angelegt, bepflanzt und oft auch künstlich bewässert. Und: umzäunt. Das deutsche Wort Garten kommt von Gerte, weil man vielfach aus Gerten (mit e) also aus biegsamen Zweigen die Zäune geflochten hat. Garten, also ein geschützter, abgetrennter Raum, ein Ort der Geborgenheit. Geschützt vor fremden Menschen, fremden Blicken, wilden Tieren. Trotzdem fallen auch in unsern Breiten manchmal die Wildschweine in Gärten ein, ganz zu schweigen von den hungrigen Schnecken!

Die Bibel erzählt, daß die ersten Menschen in einem Garten gelebt haben. Sie müssen ihn verlassen, aber sie vergessen ihn nie. So können wir uns bis heute in jedem Garten hoffnungsvoll an das Paradies erinnern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17974
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