Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Little Boy, kleiner Junge. Das ist der Kosename einer Bombe. Der Atombombe, die am Morgen des 6. August 1945 über Hiroshima abgeworfen wurde. Die japanische Stadt trug bis dahin kein Kriegsgesicht. Sicher, Japan befand sich im Krieg. Aber in Hiroshima war davon kaum etwas zu spüren. Als aber der amerikanische Bomber Enola Gay die Atombombe abwirft und Little Boy etwa 600 Meter über der Stadt explodiert, verändert sich das auf einen Schlag. Neunzigtausend Menschen sterben, die Stadt wird fast komplett zerstört. Bis heute erinnert die sogenannte Atombombenkuppel daran, die Ruine der Industrie- und Handelskammer. Sie steht immer noch so da, wie kurz nach dem Abwurf: ein Gerippe aus Stahl, zerstörten Mauern, leeren Fensterhöhlen.

Little Boy, die Bombe mit dem putzigen Namen, hat Japan verändert – und die Welt. Seitdem ist klar, welche unglaubliche Macht der Mensch hat.

Auch wenn es Sommer ist, muss ich an die Weihnachtsgeschichte denken. Auch da steht ein »littleboy«, ein kleiner Junge im Mittelpunkt. Aber wie anders ist dieser kleine Junge, der Jesus heißt. Sicher: Auch er hat die Welt verändert. Heute folgen ihm etwa  zwei Milliarden Menschen. Und doch: Gewalt lag ihm fern. Jesus erlebt als Erwachsener vielmehr selbst Gewalt. Er wird zerstört, wird getötet. Wehrlos hingerichtet, statt selbst Macht auszuüben. Ich bin sicher, dass genau diese Haltung dazu beigetragen hat, dass sich heute noch Menschen mit Jesus beschäftigen. Jesus liefert das Gegenmodell zu Gewalt und Krieg. Klar, er konnte seine Meinung vertreten und dafür einstehen. Aber Gewalt war eben keines seiner Mittel.

In einer Welt, in der Gewalt selbstverständlich ist, in der Zerstörung in unvorstellbarem Maße möglich ist, erzählen die Geburt und das Leben Jesu eine Gegengeschichte. Es ist die Geschichte, dass die Ohnmacht am Schluss gewinnt.

Der Tag des Atombombenabwurfs zeigt, wie zerstörerisch und selbstzerstörerisch Gewalt ist. Eine Gesellschaft kann aber nicht auf Gewalt aufgebaut werden. Sie kann nur leben, wenn die Ohnmächtigen zu ihrem Recht kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17970
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