SWR2 Wort zum Tag

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Wie du mir – so ich dir: In politischen Konflikten wie auch in persönlichen Auseinandersetzungen. Muss das so sein? Soll das so bleiben? Paulus schreibt im Brief an die Gemeinde in Rom (Röm.12,17f): „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.“
Beide Positionen sind biblisch begründet: Die eine heißt: „Wie du mir – so ich dir“. Dieser Grundsatz sorgt dafür, dass man bei einem Konflikt auf Ausgleich bedacht ist, dass auf Steigerungen verzichtet wird und kein: „Wie du mir, so ich dir noch viel mehr“ daraus wird.
Auf dieser Basis wird in der Bibel die Frage des Schadensersatzes geregelt: Wie du mir, so ich dir - „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (2.Moses 21,24) – und eben nicht: Auge um Leben. Der Rechtsgrundsatz der Vergleichbarkeit wird in der Frage eingeführt, wie man einen Schaden regelt, den jemand an seinem Besitz oder an seinem Körper erlitten hat. „Auge um Auge, Zahn und Zahn“ bedeutet: Fordere nicht mehr Ausgleich, als dir tatsächlich an Schaden entstanden ist.
Der Satz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird leider gerne außerhalb seines Zusammenhanges zitiert, meist in großer Empörung darüber, wie man so denken oder sich so verhalten könne. Dann ist die Rede vom angeblich rein alttestamentlichen Rachedenken und ähnlichem. Aber zum einen steht dieser Satz in einem besonderen Zusammenhang: Es geht um einen juristischen Sachverhalt: Eine Schadensregelung muss gefunden werden. Sie dient dazu, sich steigernde Gewalt zu verhindern und der Spirale des immer Aggressiver-Antwortens Einhalt zu gebieten. Das war für das damalige Rechtssystem der Durchbruch zu einem neuen Denken. Und zum anderen ist der Gedanke, der dahinter steckt, genau derselbe, der in der Regel auch unser Zusammenleben bestimmt: Wie du mir, so ich dir.
Auf diese Regel nimmt Jesus in der Bergpredigt Bezug. Er zitiert den Grundsatz „Auge um Auge“, also „Gleiches um Gleiches“ – und weist ihn zurück. Er fordert: Man soll nicht nur auf den Ausgleich und den Schadensersatz verzichten, sondern, mehr noch, man soll auch noch die andere Wange hinhalten. Man soll dem, der einen angreift und Böses will, mit offenem Visier begegnen, ohne die Absicht, zurückzuschlagen. Nur so lässt sich ein Kreislauf oder gar eine Spirale von Bösem durchbrechen.
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.“ Böses kann man nicht mit Bösem überwinden. Sondern mit Vertrauensvorschuss und damit, dass man anfängt, miteinander zu reden. Böses hat da keinen Platz, wo Menschen einander Gutes zutrauen – im Kleinen wie im Großen.

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