Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Danke! Dankeschön! Wenn ich mich erinnere, wo ich Danke sagen gelernt habe, dann war das weder in der Schule, noch in der Kirche. Danke sagen habe ich beim Metzger gelernt, an der Fleisch- und Wursttheke. Immer, wenn meine Mutter mich zum Einkaufen mitnahm, kam am Ende der erhoffte Moment: Die Metzgersfrau beugte sich weit über den Tresen, in der Hand ein Stückchen Fleischwurst. „Na, das wird dir doch sicherlich schmecken!“ Und ich musste mich ordentlich recken, dass ich den Wurstzipfel zu fassen bekam. Aber bevor ich ihn mir noch in den Mund schieben konnte, hörte ich die mahnenden Worte meiner Mutter: „Und wie sagt man, wenn man etwas geschenkt bekommt? Wie heißt das Zauberwort?“ „Danke!“
Mir hätte die Wurst auch ohne Dankeschön geschmeckt und ich hätte auf solche Umstände leicht verzichten können. Aber es schien so, dass das eine, die Wurst, ohne das andere, das Dankeschön, nicht zu haben war. Ein Zauberwort eben. Und so habe ich unterscheiden gelernt. Es gab die gekaufte Wurst, die man an der Kasse bezahlte. Da fragt man bloß: Was kostet das?
Und es gab die geschenkte Wurst, die nur für ein Dankeschön zu haben war. Das Wörtchen fügte der Wurst noch etwas hinzu, heute würde ich sagen: etwas zutiefst Menschliches. Es schenkt mir zusätzlich einen Blick für den, der etwas gibt, was er nicht geben müsste. Und das Gefühl, dass man sich doppelt freut, wenn man Danke sagt.
Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens. Aber manchmal bräuchte ich auch noch jemanden, der mich daran erinnert, wie meine Mutter an der Fleischertheke: „Sag danke, für alles, was du Gutes erlebst.“ Das ist alles sehr viel mehr als ein Zipfelchen Wurst. Fast jeden Tag tut dir jemand einen Gefallen, den er eigentlich genauso hätte sein lassen könnten. Und auch auf die Gefahr hin, dass Gott etwas von der runden, freundlichen Metzgersfrau bekommt. Jeden Morgen drückt uns Gott einen neuen Tag in die Hand, für den wir ihm Danke sagen können.


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