SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Manchmal denke ich mir: Ich habe den schönsten Beruf der Welt. Nach fast zwanzig Jahren als katholischer Priester kann ich das immer noch sagen. Mein Beruf, meine Arbeit dreht sich um ein Grundbedürfnis, das manche für Luxus halten: um die Beziehung mit Gott. Und das in allen Lebenslagen. Beim Tod eines Neugeborenen genauso wie beim Geburtstagsfest anlässlich eines langen erfüllten Lebens. Bei Verliebten und bei denen, die in ihrer Partnerschaft scheitern. Wie oft werde ich gebeten, da etwas in Worte zu fassen, was so einem Ereignis Sinn gibt. Ich darf so sprechen, dass der Horizont weiter wird. Ich muss nicht nur von den Niederungen des Alltags reden. Nicht nur von menschlicher Leistung und vom eigenen Versagen. Mit Gott kommt etwas ins Spiel, das größer ist. Gott hilft mir, nicht nur um mich selbst zu kreisen. Wenn meine Gedanken ankommen, sehe ich glückliche Augen, einen Schimmer von Hoffnung.

Nicht selten konnte ich Menschen auch ganz konkret helfen, wenn sie etwas gebraucht haben: Geld, den Kontakt zum richtigen Arzt, einen Arbeitsplatz, eine Wohnung. Gerade diese praktische Hilfe hat mich nahe an die Worte heran gebracht, von denen ich sonntags in der Predigt spreche: Dass Jesus nicht an der Not vorbei geht. Dass Gott die Armen besonders liebt. Dass das Christentum eine Religion ist, die will, dass das Leben des Menschen glücklich ist. Wenn so meine Worte und das, was ich erlebe, zusammen passen, das macht mich glücklich und zufrieden.

Dass ich heute auf dieses Thema zu sprechen komme, hat einen Grund. Heute ist nämlich mein Weihetag. Vor 19 Jahren bin ich gemeinsam mit dreizehn anderen Männern zum Priester geweiht worden. Heute, wie jedes Jahr am 15. Juli, kommen wir zusammen, um uns zu sehen, auszutauschen, vom anderen zu erfahren, wo er in der Zwischenzeit steht. Ob alle anderen auch sagen können: Priester ist der schönste Beruf der Welt? Das weiß ich nicht. Auch Priester haben mit den Anforderungen zu kämpfen, die an sie gerichtet werden. Es sind ganz  eigene, und manchmal sind es zu viele. Und - wie könnte es anders sein - wir leiden auchunter der Kirche, die uns immerwieder ärgert. Es gibt viele, zu viele Fettnäpfchen, in die sie tappt.

Trotzdem. Wenn ich mich heute zu entscheiden hätte. Ich würd’s wieder machen. Weil ich finde, dass es sich lohnt, mit Gott zu rechnen - in meinem Leben und in dem der anderen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17928
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