SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Was mache ich bloß heute Abend?“

Vielleicht fragt sich das so mancher, der in den zurück liegenden vier Wochen so gut wie jeden Abend vor dem Fernseher gehockt ist, um die Spiele der Fußball-WM anzuschauen. Wenn es jeden Abend ein, manchmal zwei Spiele zu sehen gibt, zur festen Zeit, das bringt Struktur in den Tagesablauf, das ist wie ein Fixpunkt, ein Ziel, auf das ich zuleben kann. Auch wenn das die anderen, die nichts mit Fußball anfangen können, zunehmend genervt hat. Vielleicht vergisst man dabei sogar, was anstrengend war den Tag über, was einen geärgert, was so ganz und gar nicht geklappt hat. Schließlich gibt es zur Belohnung für die Mühen des Alltags ein spannendes Spiel. Und solange die eigene Mannschaft dabei ist, immer die Aussicht auf ein nächstes und am Ende vielleicht sogar den Triumph.

Seit heute ist das alles vorbei. Der Sieger steht fest. Die Spieler fahren in ihre Heimat zurück. In Brasilien wird aufgeräumt. Es bleibt die Erinnerung an schöne Begegnungen. Es bleibt aber auch eine Lücke, die von heute an wieder gefüllt werden muss. „Was erwartet mich, wenn ich heimkomme? Was fange ich mit dem Abend heute an?“ Um diese Fragen zu beantworten, muss ich jetzt wieder selbst aktiv werden. Aber was noch viel wichtiger ist: Ich brauche einen Blick auf mein Leben, der größer ist und weiter geht. Vier Wochen lang mag das funktionieren, dass ich mich von Abend zu Abend hangle. Aber auf die Dauer genügt es eben nicht.

Wenn ich am Abend nach Hause komme, kann meine Stimmung ganz unterschiedlich sein. Manchmal bin ich zufrieden, wie mein Tag gelaufen ist; oder ich bin einfach froh, dass es jetzt rum ist. Dann mache ich die Tür zu und vergesse. Es kann aber auch sein, dass ich mit schlechter Laune heim komme und diese Stimmung nicht so schnell los werde. Der Fernseher oder ein Glas Wein lenken mich dann zwar ab. Aber eine echte Perspektive schaffen sie nicht. Wie auch?! Mit dem, was das alles bringt, was mein Leben ausmacht, was mich als Menschen auszeichnet, bleibe ich ganz allein auf mich selbst angewiesen. Auf das, was in mir ist. Von einem Tag zum anderen schaffe ich es mit den normalen Ablenkungen. Die Fußball-WM war eine von ihnen. Sie hat mir geholfen, mich eine zeitlang durchzuwurschteln. Zu dem, was mein Leben schön und reich macht, genügt sie aber nicht. Da braucht es mehr. Das zu spüren, heute, am Tag nach der Weltmeisterschaft, das tut mir gut. Und den vielen, die mit Fußball nichts anzufangen wissen, erst recht.

 

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