Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wo war Gott? Das werde ich als Pfarrerin oft gefragt, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Wo war Gott? Zuerst höre ich nur den Vorwurf. Und mir ist, als müsse ich mich rechtfertigen: Für meinen Gott, der nie da ist, wenn man ihn gerade so dringend braucht. Aber dann, eine Schicht tiefer - sozusagen - höre ich auch noch was anderes: Nämlich eine Sehnsucht. – Die Sehnsucht nach einem Gott, der alles Schlimme verhindert. - Der für Recht und Ordnung sorgt. Und an den man einfach glauben muss! Selbst Jesus hat diese Frage gestellt: Wo ist Gott? Als er gekreuzigt wurde. Eigentlich hat er das gar nicht mehr gefragt. Er hat geschrien: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und dabei war doch gerade er so randvoll mit Gottvertrauen. Und erfüllt von dem einen Gedanken: Die Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen. Und nichts und niemand konnte ihn daran hindern. Nicht einmal die Gefahr für das eigene Leben. Nur, um ein Beispiel zu nennen: Damals war es streng verboten, an Feiertagen ganz alltägliche Arbeiten zu verrichten. Das war - sozusagen - Heiliges Gesetz. Das betraf auch ärztliche Tätigkeiten, zumindest, wenn es nichts Dringendes war. Aber Jesus scherte sich nicht darum. Wenn er einen Menschen traf, dem er helfen konnte, oder heilen, dann machte er das einfach. Ganz gleich, ob gerade Feiertag war. Denn er sagte: „Die Gesetze sind für die Menschen da, nicht umgekehrt.“ Und das brachte ihm den geballten Zorn der Mächtigen ein. Und hat ihm schließlich das Leben gekostet.
Und wo war Gott? Gott hat nicht eingegriffen. Jesus fühlte sich völlig allein gelassen. Und doch war Gott da. War bei ihm. Und hat ihn am Ende zu sich genommen. Seiher glauben wir Christen: Gott ist im Leiden. Dass er genau da ist, wo wir es am wenigsten erwarten: mitten in der Finsternis; in der Einsamkeit. Bei denen, die sich von Gott verlassen fühlen. - Genau dort.

 

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