SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Besonderes evangelisch ist das nicht, wenn jemand verwöhnt wird oder sich verwöhnen lässt.
Ich kenne das vor allem aus Italien ganz tief im Süden, so ab Neapel abwärts. Und am liebsten in Sizilien.
Wo schon der weite Himmel und der Duft die Seele zum Schmelzen bringen.
Da reicht es nicht, wenn du in eine Bar gehst und bestellst einen Cappuccino, du musst schon sagen, ob du ihn in heißer oder kalter Tasse willst und noch mit einem Schuss kalte Milch drin oder den Zucker unten rein oder gleich gerührt, sonst wirst du nur fragend angeguckt; Weil: hier hat jeder ein Recht auf seine Sonderbehandlung. Das ist nicht peinlich oder nervtötend wie bei uns, wo Kellner sofort die Augen verdrehen, wenn ich sage mit Extraknoblauch oder zwei Geschmäcker Eis in eine Kugel oder wenn ich die Sahne zu den Himbeeren gerne mit einem Hauch Bittermandellikör hätte…
Da ganz im Süden, üben sich viele darin, anderen Wünsche von den Augen abzulesen. Es ist völlig selbstverständlich, andere gerne zu verwöhnen mit Aufmerksamkeit und dennoch diskret.  Und es gilt als überhaupt nicht blöd, genau zu wissen, was mir am besten schmeckt und was nicht. Vielleicht weil die Leute dort oft arm sind und es sonst nicht so leicht ist, sich Wünsche zu erfüllen. Vielleicht achten sie deshalb in den kleinen Dingen des Lebens besonders darauf, sie zu genießen.
Meine These ist aber noch eine andere: Ich glaube dass Verwöhnen etwas Göttliches ist. Denn all das Herrliche was es gibt schenkt uns Gott: Den Duft des Pfirsichs. Das fast schwarze Rot der Kirschen. Und den Kuss des Liebsten.
Dass das da im Süden besser klappt, wer weiß warum. Hier und heute gilt: Mindestens am Sonntag ist Verwöhnen dran. Sich verwöhnen lassen und andere verwöhnen.
Göttlich!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17873
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