SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Menschen brauchen Unterbrechungen.
Heute möchte ich das Lob der Unterbrechung singen. Mir fällt jedenfalls nichts ein, was ich ewig tun möchte. Ich könnte nicht jeden Tag im 3Sterne Lokal essen, nicht jeden Tag eine Party feiern, und selbst mit meinem Liebsten möchte ich nicht Tag und Nacht pausenlos zusammen sein, ich finde es schön, dass jeder von uns auch seine eigenen Pläne und Termine hat. Ohne Unterbrechung gäbe es keine Freude aufs Wiedersehen. Auch Musik funktioniert nur mit Pausen, und für die Musik unseres Lebens gilt das gleiche. Selbst beim Atmen gibt es diese kleine Pause zwischen Ein- und Ausatmen.
Daher singe ich das Lob der Unterbrechung. Weil ich glaube, dass ewige Dinge Gott vorbehalten sind. Für Menschen ist die Ewigkeit erst im vollendeten Zustand erträglich. Deshalb ist das Feiertagsgebot zu Recht eines der wichtigsten Gebote. Es ist eine wunderbare Errungenschaft und gar nicht selbstverständlich, dass Menschen begriffen haben: Wir brauchen eine Unterbrechung in der Arbeit. Umgekehrt wäre auch eine unendliche Freizeit nur schwer zu ertragen. Mein Sohn hat mir einmal erzählt, dass ihm nach sechs Wochen Schulferien das Rumgammeln einfach keinen Spaß mehr gemacht hat. Unterbrechungen behindern nicht die Arbeit: Sie fördern vielmehr die Lust daran und erfrischen die Kräfte.
Ohne Unterbrechung wäre das Leben düstergrau – und in der Tat entsteht solch ein Grau, wenn man alle Farben zusammenmischt und sie nicht unterscheidet.Unterbrechungen sorgen dafür, dass das Leben bunt bleibt, bunt wie der Sommer mit seinen leuchtenden Farben: Von den Früchten beim Gemüsehändler bis zu den Eiskugeln und den Badeanzügen im Schwimmbad. Bunt dank der Ferien, die eine Unterbrechung unseres Alltags sind. Ich bin auch sehr froh, dass ich in einer klimatischen Zone lebe, die mir die Vielfalt der Jahreszeiten gönnt, der ewige Frühling wäre sicher nichts für mich. Ich mag auch hier: Die Unterbrechung.
Ja, und auch das Leben braucht zuletzt die Unterbrechung des Todes. Es sind ganz unglückliche Figuren, die in Märchen oder Sagen nicht sterben dürfen. Der Fliegende Holländer sehnt sich nach dem Tod. Ahasver auch.
Gut, diese letzte Unterbrechung kann von mir aus noch eine gute Zeit warten. Doch wenn sie kommt, werde ich mich überraschen lassen, wie sich die Ewigkeit anfühlt. Dann bin ich bereit dafür.

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