Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Haben Sie heute schon ihre Mails beantwortet? Wenn nicht, machen Sie sich auf was gefasst! Es wird nämlich erwartet, dass Sie sich unverzüglich melden. Da gibt es kein Vertun. Früher konnte man noch sagen: „Ich war ein paar Tage weg!“ oder „Ich habe den AB noch nicht abgehört!“ oder so ähnlich. Heute kann man nicht mehr wirklich weg sein. Weder Urlaub, noch Wochenende sind ein stichfestes Alibi. Ich war im Wald, im Garten, beim Arzt oder bei der Oma. Alles kein Grund, nicht erreichbar zu sein. Das Einzige, was einigermaßen grimmig als Funkstille anerkannt wird, ist, wenn man halbwegs glaubwürdig nachweisen kann, gestorben zu sein. In jedem anderen Falle sind wir gefälligst online Und haben im Netz zu zappeln. Unbeantwortete Nachrichten können einem bereits nach einer Stunde als Desinteresse, Ablehnung oder gar Verachtung des Absenders ausgelegt werden. Und wenn eine Nachricht irgendwie verloren geht, also gar nicht bei uns ankommt, dann ist das noch lange kein Grund, nicht darauf zu reagieren. Wir sind ununterbrochen am Kommunizieren. Die Menschen laufen durch die Straßen und schauen aneinander vorbei auf ihre Handys und schreiben Nachrichten darüber, wie sie atmen. Im Zug führt kaum jemand mehr ein Gespräch mit dem Gegenüber, das real da sitzt, sondern alle sind digital unterwegs. Dabei möchte ich so gerne mal eine Pause machen, auflegen, abtauchen, gar nichts senden.
Von Dorothe Sölle habe ich einen Text gefunden, den sie „Unterbrechung“ genannt hat. Darin heißt es unter anderem: „Du sollst dich selbst unterbrechen. Zwischen Arbeiten und Konsumieren soll Stille sein und Freude, dem Gruß des Engels zu lauschen, der sagt: Fürchte dich nicht! Zwischen Schaffen und Planen sollst du dich erinnern an den ersten Schöpfungsmorgen, als die Sonne aufging ohne Zweck und du nicht berechnet wurdest in der Zeit, die niemandem gehört außer dem Ewigen“. Ich wünsche Ihnen einen Tag mit heilsamen Unterbrechungen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17855
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