SWR2 Wort zum Tag
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Den richtigen Riecher zu haben – das hilft bekanntlich am meisten im Leben. Oft ist das erste spontane Gefühl, aus dem Bauch heraus, der entscheidende Wink und der goldene Tip.. Deshalb sind Tiere so wichtig, denn von ihnen ist dazu viel zu lernen. Denken wir nur an die instinktsichere Weisheit der Zugvögel. Fatal ist es deshalb, wie unsereiner die Tiere am liebsten nur zum Schlachten oder Domestizieren braucht, in Funktion also zu menschlichen Nutzinteressen und bestenfalls noch im Zoo zu besichtigen.
Hören wir auf das Gedicht von Hilde Domin mit der Überschrift: „Im Regen geschrieben“, in ziemlich schwierigen Zeiten übrigens, wo die vertriebene jüdische Dichterin wortwörtlich im Regen stand. Also der kleine Text : „Wer wie die Biene wäre,/die die Sonne/auch durch den Wolkenhimmel fühlt,/die den Weg zur Blüte findet/und nie die Richtung verliert,/ dem lägen die Felder in ewigem Glanz, /wie kurz er auch lebte,/ er würde selten/ weinen.“So weit das Gedicht. Dem Mensch, der sich darin äußert, ist offenkundig zum Heulen zumute; ausweglos ist seine Situation, und das Gedicht ist „im Regen geschrieben“. Umso auffälliger ist die Trostquelle, freilich wie aus unerreichbarer Ferne und nur im Irrealis beschrieben, der Sprache der schieren Unmöglichkeit: „Wer wie die Biene wäre...“ Ja, der hätte es gut, denn er hätte den richtigen Riecher, und „es lägen die Felder im ewigen Glanz“. Aber leider ist es meist nicht so.
Die poetische Würdigung der Biene nimmt das Wunder in den Blick, wie dieses Tierchen von Natur aus weiß, wo es lang geht. Derart sonnengepolt ist die Biene, dass sie nie die Richtung verliert – selbst wenn der Himmel verhangen ist und alles im Regen steht. Ach, wäre das schön, genau zu wissen, wo wir hingehören - selbst dann wenn es zum Heulen ist. Aber unsere Instinkte sind irritiert und durcheinander – und nicht zufällig sind auch die Bienen inzwischen fast vom Aussterben bedroht. In letzter Minute wird nun gegengesteuert. Die Dichterin bewundert den unbeirrbaren Richtungssinn des Tieres: Vorbild und Anstoß für den richtungslosen, verzweifelten Menschen. Dessen verkümmerter Orientierungsinn bedarf des Nachdenkens und der Vernunft. Am wichtigsten aber ist der richtige Riecher, die Sonnen- und Gottesrichtung. „Wer wie die Biene wäre,/ die die Sonne/auch durch den Wolkenhimmel fühlt,/die den Weg zur Blüte findet/und nie die Richtung verliert, /dem lägen die Felder in ewigem Glanz,/wie kurz er auch lebte,/er würde selten/weinen.“
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