SWR4 Abendgedanken

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Und Stopp!

Manchmal ist bei mir ein kleines „Stopp“ nötig. Ich bin im Auto unterwegs und denke über etwas nach, was ich gerade erlebt habe. Da werden aus Gedanken Sorgen und aus Sorgen Probleme, für die ich keine Lösung finde. Diese Gedanken ziehen mich wie in einem Strudel nach unten. Ich werde ärgerlich oder fühle mich gekränkt. Manchmal wie aus heiterem Himmel. Wie ein Laune.

Oder ich stehe irgendwo in der Schlange und merke, wie jemand neben mir drängelt. Obwohl ich Zeit habe, habe ich das Gefühl, dass ich mich für mein Recht einsetzen muss und fange innerlich ein Gespräch mit dem Drängler neben mir an. Meist, weil ich es ihm so richtig zeigen will und weil ich denke, dass das zu einer Änderung des Verhaltens führen müsste. Aber ich bin ja nicht der Erzieher meiner Mitmenschen.

Wenn ich es noch merke, dass ich wieder in so ein innerliches Konfliktgespräch oder einen Gedankenstrudel reinrutsche, dann sage ich mir dieses innerliche „Stopp“.

Denn ich will mich nicht unnötig mit negativen Gedanken befassen. Dafür ist mir mein Leben zu kurz und das schlechte Gefühl bleibt meistens viel länger bei mir hängen, als der Anlass oder die Sache es wert sind.

Das innere „Stopp“ bewirkt (manchmal), dass ich aus dem Strudel rauskomme und quasi wieder über den Tellerrand schaue. Ich kann über eine konstruktive Lösung nachdenken oder auch versuchen, die Perspektive des anderen einzunehmen: Der Drängler hat ja vielleicht einen Grund, warum er drängelt.

Das klingt vielleicht, als ob es mir gerade um psychologische Tricks geht, wie ich meine Lauen in den Griff bekomme.

Aber ich denke, das ist auch religiös. Ein Theologe hat Religion einmal als „heilsame Unterbrechung“ beschrieben. Wenn ich an die Geschichten der Bibel denke, dann fallen mir da auch solche Stopp-Momente ein. Sie bewirken, dass Menschen anders denken und sich anders verhalten. Zum Beispiel der blinde Bettler, dem Jesus in der Stadt Jericho begegnet.  Jesus gibt ihm kein Geld, sondern fragt ihn, was er für ihn tun solle. Damit stoppt er ihn beim Betteln, nimmt ihn gleichzeitig aber als einen Menschen mit Bedürfnissen ernst. Und diese Unterbrechung führt bei dem Blinden zu einer neuen Einsicht. Die Bibel beschreibt das als das Wunder, dass einer wieder sehen kann. Vielleicht braucht es bei mir manchmal auch nur eine solche Unterbrechung, damit ich Dinge wieder anders sehen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17840
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