SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Frankreich 1901. Ein Hirte der Dordogne bringt ein Findelkind zu einem älteren Ehepaar. Die beiden nehmen sie als Tochter an und ziehen sie liebevoll groß. So fängt ein Roman von Christian Signol an. Die Geschichte klingt wie ein Märchen, sie beruht aber auf der Realität. Signol erzählt die Lebenserinnerungen einer Frau (nach), die er „Marie des Brebis“ – also „Marie von den Schafen“ nennt. Sie hat eine glückliche Kindheit und Jugend, sie heiratet ihre große Liebe, bekommt vier Kinder, wird Großmutter und Urgroßmutter. Sie findet sogar ihre leibliche Mutter wieder und versöhnt sich mit ihr. Soweit klingt das nach sehr viel Glück im Leben. Das ist aber nur die eine Seite. Marie erlebt auch einige schwere Schicksalsschläge: eine Fehlgeburt, die beiden Weltkriege nehmen ihr den einen Sohn, ein anderer kommt bei einem Autounfall ums Leben.

Das Besondere an dieser Geschichte ist für mich die Einstellung zum Leben, die Marie entwickelt. Zum einen ist sie immer offen für das, was das Leben ihr schenkt. Sie entdeckt zum Beispiel, dass sie die Wundheilung von Menschen beschleunigen kann, wenn sie ihnen ihre Hände auflegt. Vor allem bei Menschen mit Verbrennungen. Die Ärzte der Umgebung schicken ihr im Lauf der Zeit sogar ihre Patienten.

Das andere, das mich noch viel stärker angesprochen hat, ist aber die Fähigkeit dieser Frau, mit Schicksalsschlägen fertig zu werden. Und das hängt vielleicht damit zusammen, dass sie offen ist fürs Leben. Marie glaubt an Gott und betet. Wenn sie mit einem Schicksalsschlag nicht klar kommt, dann klagt sie Gott ihr Leid. Zum Beispiel als sie vom Tod ihres Sohnes erfährt. Sie trauert und klagt vor Gott. Sie bittet Gott auch um eine Antwort auf Ihre Klage. Das finde ich schon stark, aber hier dreht sich‘s bei ihr wieder um und ich weiß nicht, ob ich‘s naiv finden soll oder einfach klug, sie kommt zu dem Schluss, dass sie ihr Leid nicht verstehen können muss. Sie hofft einfach, dass Gott schon weiß, wozu das gut sein soll. Und sie vertraut fest darauf, dass sie Ihre Liebsten im Himmel wiedersehen wird. Ihr hilft das. Zumindest soweit, dass sie sich wieder dem Leben zuwenden kann. Und zum Leben findet sie in der Natur zurück: bei ihrer Schafherde, bei dem Brot, das sie selbst backt; und im Wechsel der Jahreszeiten mit Sonne, Wind und Regen. Bei all dem findet sie zu einem Leben im Jetzt. Mich berührt das. Das Leben in der Natur als Quelle der Hoffnung. Aus der Kraft der Blumen, die zwischen den Steinen wachsen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17836
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