SWR3 Gedanken

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Vila Mimosa ist ein Stadtteil von Rio. Nur einen Steinwurf vom Maracana-Stadion entfernt, wo heute Abend das erste Viertelfinale stattfinden wird. Vila Mimosa ist nichts für Mimosen. Im Gegenteil: ein rechtsfreier Raum. Kein Polizist traut sich dort rein, der Müll wird nicht mehr abgeholt. Hier herrschen Zuhälter und Banden. Es stinkt nach Abfall und Alkohol. So nah neben der Glitzerwelt der WM zeigt Rio hier ein anderes Gesicht.

Cicera lebt in Vila Mimosa. Sie ist 52 Jahre alt und war ihr ganzes Leben lang Prostituierte, wie schon ihre Mutter. Wütend sagt sie: „Mit acht Jahren haben sie mich vergewaltigt, mit zwölf wurde ich eine Professionelle. Hier kannst du nur sein, wenn du total zugedröhnt bist mit Drogen oder Schnaps.“

Heute sieht das Leben von Cicera Gott sei Dank anders aus. Als Cicera ganz unten war, als sie nichts mehr anzuziehen hatte und der Hunger zu groß wurde, da hat eine Freundin sie ein paar Straßen weiter geschickt zu zwei Ordensschwestern. Cicera war erst misstrauisch: „Warum sollten mir gerade die da helfen?“

„Die da“, das ist zum Beispiel Schwester Marie-Belle. Sie ist noch jung, trägt ein Holzkreuz um den Hals, Brille und Pferdschwanz. Sie ist schmächtig – aber eigentlich eine ganz Große. Eine der wenigen, denen nichts passiert in Vila Mimosa, weil sie sich den Ruf einer Respektsperson erarbeitet hat. Sie bietet immer eine offene Tür und ein offenes Ohr. Die Frauen, die zu ihr kommen, werden rechtlich beraten, medizinisch versorgt und bekommen das Nötigste zum Überleben.

Cicera hat von den Schwestern sogar eine kleine Anschub-Finanzierung bekommen, um Süßigkeiten verkaufen zu können – statt sich selbst. Und hier hat sie gemerkt, dass sie schön singen kann. Ihre wichtigste Erfahrung? Cicera sagt: „Dass ich hier als Mensch behandelt wurde – und nicht als Ware.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17834
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