SWR3 Gedanken

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Ein paar Kollegen und ich sind zu Fuß unterwegs auf einer Pilgertour in Frankreich. Fix und fertig erreichen wir abends die Kathedrale von Chartres. Und da es beim Pilgern auf beides ankommt – Geist und Körper – ist jetzt erstmal der Körper dran. Wir brauchen dringend was zu essen. Schnell finden wir eine kleine Bar und essen einen Happen. Nur nicht Carsten. Er hat Größeres vor. Er bestellt sich das „Big Starving Solution Menü“. Wir lachen über den Namen und lassen ihn uns auf der Zunge zergehen: „Big Starving Solution“ – also die große Verhunger-Lösung – ja, genau das braucht Carsten jetzt.

Während wir warten, philosophieren wir ein bisschen über den Menü-Namen. „To starve“ heißt ja „nach etwas hungern“ oder auch „sich nach etwas sehnen“. Klar, dass dieser Name viele Touristen anspricht, die einfach mal satt werden wollen. Die die Nase voll haben von den französischen Gourmet-Portionen.

Aber „Starving“ könnte noch für mehr stehen. Es gibt auch einen Hunger danach, endlich wieder gesund zu sein, oder dass es gerecht zugeht auf der Welt. Viele sehnen sich danach, sich endlich mit jemandem zu versöhnen, einen Partner zu finden oder Kinder zu bekommen. Es gibt so vieles, was in meinem Leben immer eine Sehnsucht bleiben wird – bruchstückhaft und unerfüllt.

Plötzlich steht der Kellner mit dem Tablett vor uns. Carsten bekommt große Augen, und wir grinsen in uns hinein. Das ist alles andere als eine Big Starving Solution. Das ist eine französische Gourmet Portion: großer Teller, kleines Lasagne-Häppchen. Carsten muss jetzt sehr tapfer sein.

Nachdenklich verlassen wir die Bar. Erstens ist Carstens Hungerproblem gar nichts angesichts so vieler Menschen auf der Welt, die wirklich nichts zu essen haben. Und zweitens ist uns mal wieder bewusst geworden, dass es noch einen anderen Hunger gibt. Und auch der bleibt meistens ungestillt - zumindest hier auf der Erde.

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