Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Einer trage des Anderen Last!“ Das sagen sie fast aus einem Mund. Der alte Mann und die Frau, die mir gegenüber sitzen.
„Einer trage des Anderen Last!“ Lang, lang ist es her, dass sie diesen Satz als Trauspruch bekommen haben, als Motto für ihre Ehe. „Wenn wir geahnt hätten, was das bedeutet!“, sagt die Frau und lächelt.
Manchmal ist es gut, wenn man nicht alles vorher weiß. Die vielen Lasten, die das Paar zu tragen hatte. Als ihr Kind schwer krank wurde, als die Mutter zu pflegen war, oder jetzt, wo beide körperlich nicht mehr so gut können. Sie machen nicht mehr so viele Pläne, versprechen nicht viel. Wer weiß, wie es weiter geht. Und trotzdem bedeutet den beiden das Wort mit dem „Lastentragen“ immer noch sehr viel.
Es stimmt ja auch: Wenn er mal nicht mehr weiter wusste, dann hatte sie eine Idee oder einfach Hoffnung. Wenn sie keine Kraft hatte, dann war er für sie da.
Lasten sind nie gleichermaßen verteilt. Einer wird krank, der andere nicht. Einer macht sein Glück, der andere hat eine Pechsträhne. Das geht uns allen so. Aber wir können einander aufhelfen. Es kann jemand da sein, wenn ein anderer zu schwer zu tragen hat. Das ist in der Familie so, aber auch in der Schule, auf der Arbeit, unter Nachbarn und unter Freunden.
Einer trage des Anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen, das hat der Apostel Paulus geschrieben.
Dieses Lastentragen erfüllt alles, was Jesus vertreten hat. Alles, was nötig ist, um wahrhaft Christ zu sein. Mehr ist nicht nötig. Da sein, wenn eine Last zu tragen ist. Aber auch darauf zu vertrauen: Wenn ich mal die mit der großen Last bin, dann darf ich mir helfen lassen. Und darauf vertrauen, dass einer kommt und mir tragen hilft – vielleicht sogar jemand fremdes.
Für einander und miteinander, mit Gottes Hilfe– vielleicht geht so auch heute manches leichter als gedacht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17803
weiterlesen...