Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Diese Wirtschaft tötet.“ So geißelt Papst Franziskus eine Wirtschaft, die die Gier nach Geld und Besitz höher wertet als Menschenleben.

„Diese Wirtschaft tötet.“ Der Satz führte in einer Versammlung von Wirtschaftsführern und Wissenschaftlern zu einem Aufschrei: Das könne ja wohl nicht für Deutschland gelten. Hier herrsche kein Raubtierkapitalismus, sondern die soziale Marktwirtschaft. Hier gingen keine Menschen zu Grunde. Der Papst solle aufhören, seine Erfahrungen mit Lateinamerika auf die ganze Welt auszudehnen.

Abgesehen davon, dass wir bei allem Wohlstand auch in Deutschland echte Armut und Ausgrenzung kennen, geht der Blick des Papstes weiter: Er sieht die weltweiten Zusammenhänge. Und da kommt auch Deutschland nicht ungeschoren davon. Dass bei uns die Lebenshaltungskosten so niedrig sind und Lebensmittel und Kleidung so erschwinglich, das hängt auch damit zusammen, dass Menschen in anderen Ländern für uns unter gefährlichen, ja unwürdigen Bedingungen arbeiten. Wir haben die Not zum Teil nach draußen verlagert, dahin wo tatsächlich Raubtierkapitalismus herrscht und Menschen gefährdet sind, in Bergwerken und Fabriken, auf Feldern und Plantagen. Andere – teils vor der europäischen Haustür, teils in fernen Ländern – zahlen mit ihrer Gesundheit für unseren Wohlstand.

Die Bibel nimmt diese Differenz zwischen drinnen und draußen auf in dem Gleichnis vom reichen Prasser und armen Lazarus. Der reiche Prasser lebt im Wohlstand in seinem schönen Haus, unberührt vom Elend des armen Lazarus vor seiner Tür. Die Bibel nimmt Partei für den Menschen im Elend und geißelt die Blindheit des Reichen für die Not des Armen.

Genauso wenig können wir uns vormachen, bei uns zu Hause sei doch eigentlich alles in Ordnung, man dürfe eben nur nicht aus dem Fenster schauen. Deshalb bin ich dankbar für die klaren Worte des Papstes und seine weite Sicht. Er verallgemeinert nicht seine lateinamerikanischen Erfahrungen, sondern er stellt Zusammenhänge her. Und damit erfüllt er einen biblischen Auftrag: Die in den Blick zu rücken, die wir im Wohlstand leicht übersehen.

 

 

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