SWR2 Wort zum Tag

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Ruth Pfau

„Ein verrücktes, ein abenteuerliches und immer wieder in Frage gestelltes Leben“ habe ich geführt. Das sagt die Ordensschwester und Ärztin Ruth Pfau. Vor kurzem verlieh ihr die Universität Freiburg die Ehrendoktorwürde – nach vielen anderen Auszeichnungen, die diese bewundernswerte Frau im Laufe ihres langen Lebens erhalten hat. Dabei war ihr Lebensziel sicher nicht, berühmt zu werden; sie will mehr Menschlichkeit.

Ruth Pfau wurde 1929 in Leipzig geboren. Ursprünglich Atheistin, fand sie als Medizinstudentin zum christlichen Glauben und trat 1957 in den Orden der „Töchter vom Herzen Mariä“ ein. Als sie 1960 in Indien ihren Dienst als Frauenärztin antreten sollte, blieb sie bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp im pakistanischen Karatschi hängen und wurde von einer Mitschwester in die Leprakolonie mitgenommen. Die Begegnung mit diesen Elendesten unter den Elenden der asiatischen Gesellschaften wird für sie zum alles entscheidenden Erlebnis: „Ich wusste plötzlich: Hier, hier musste es geschehen. Wie? Gleichgültig. Jetzt! Es war, wie wenn man seine große Liebe trifft: ein für alle Mal.“

Aus bescheidenen Anfängen in den Slums von Karatchi wurde später eine große Klinik. 1980 wurde Ruth Pfau zur nationalen Lepraberaterin im Rang einer Staatssekretärin ernannt. Sie wird pakistanische Ehrenbürgerin. Ihre Arbeit weitet sich nach Afghanistan aus. Ruth Pfau sorgt sich um Menschen mit schweren Behinderungen in den Slums. Der Friedensdialog mit den Muslimen liegt ihr am Herzen. Unmittelbare Hilfe und der Kampf für Menschenwürde und Menschenrechte gehören für sie untrennbar zusammen.

Welchen Sinn hat das Wirken eines einzelnen Menschen angesichts des unermesslichen Elends weltweit? Ruth Pfaus Antworten sind sehr einfach und doch so überzeugend, wie sie nur sein können, wenn sie beglaubigt sind durch das eigene Leben. Dass es nie und nirgends ein Leben ohne Leid gibt – sie weiß es sehr wohl. Das ist für sie kaum zu ertragen und stellt ihren Glauben schmerzlich in Frage. „Vielleicht ist es unsinnig, etwas zu tun“, sagt sie. „Aber nichts zu tun wäre noch unsinniger.“ Und: „Wenn etwas den Menschen gut tut, dann ist es auch ‚sinnvoll‘. […] Mein Glaube, meine Hoffnung, meine Entscheidung, sie sind trotzig. Ich halte sie fest, obwohl so viel dagegen spricht. Mein Glaube an den Sinn ist ein Glaube ‚trotz allem‘.“[i]


[i] Zitate: Ruth Pfau, Leben ist anders. Lohnt es sich? Und wofür? – Bilanz eines abenteuerlichen Lebens, Freiburg 32014; Rudolf Walter, Das Leben ist anders. Die Nonne, Ärztin und Menschenfreundin Ruth Pfau wird mit der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg ausgezeichnet, in: Badische Zeitung, 7. Mai 2014, S. 3.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17775
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