SWR2 Zum Feiertag

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Fronleichnam zwischen Tradition und Moderne

 Das geschmückte Dorf 

Bevor ich den Kirchenhistoriker - den Professor- Bernhard Schneider  nach der Geschichte von Fronleichnam frage, möchte ich auch den Menschen und Katholiken Bernhard Schneider fragen: Was sind Ihre Erinnerungen, Ihre Bilder, die sich mit dem Fronleichnamsfest verbinden?

 Bei mir sind es ähnliche Kindheitserinnerungen, die sich einem eingeprägt haben, der in einem relativ überschaubaren Dorf groß wird: große, bunte, geschmückte Straßen, voll mit Menschen, voll mit Blasmusik, die dann durch das ganze Dorf zieht, aber eben noch furchtbar lange Wege, die dann irgendwann - auch gerade bei entsprechenden Temperaturen  - einen ordentlich schlauchen. Die zweite Erinnerung ist dann so als Jugendlicher, der in den 70er Jahren groß wird, wo man dann doch allmählich angefangen hat, das Ganze als katholische Folklore abzulehnen, wo es mir überhaupt dann nichts mehr gegeben hat und wo das eben auch ein Teil war des Ablegens bestimmter biographischer Elemente.

 Was waren denn eigentlich die Gründe, als man nach dem Konzil und der Liturgiereform gesagt hat: Fronleichnam mit dem ganzen Pomp – sag ich mal – läuft aus. Warum hat man das gemacht?

 Man hat ja nicht plötzlich angefangen, sondern es gibt im Prinzip schon eine Tradition über das ganze 20. Jahrhundert, die Fragen formuliert im Umkreis der liturgischen Bewegung, wo man einfach noch einmal stärker fragt: wo ist das Zentrum denn auch bei einer Eucharistiefrömmigkeit?  Diese Gedanken hat man dann im Konzil und nach dem Konzil weiterentwickelt. Und dann heißt es einfach naheliegender Weise, wenn der Empfang der Kommunion im Mittelpunkt steht, dann kann doch eigentlich nicht mehr das Anschauen und die Anbetung an allererster Stelle stehen. Das war aber genau der historische Kontext des Fronleichnamsfestes

 Ein Fest der Eucharistie entstanden im 13. Jh.

 Da sind wir jetzt eigentlich an den Ursprüngen angelangt. Irgendwann hat es ja mal begonnen, im Hochmittelalter. Was war das für eine Zeit? Warum hat man da gedacht: Jetzt müssen wir so ein Fest wie das Fronleichnamsfest installieren?

Wir haben um 1200 oder kurz nach 1200 einen Kontext, in dem man die Eucharistie theologisch noch einmal versucht, sauberer zu durchdenken. Ein Ergebnis ist dann das, was man heute noch als Transsubstantiationslehre in der Theologie kennt, also eine Wesensverwandlung der Materien von Brot und Wein. Dann hat man gleichzeitig aber eben auch die Eucharistie verteidigt gegenüber jenen, die meinten, das ist überhaupt nicht jetzt hier real, das Christus gegenwärtig ist, das ist  symbolisch zu verstehen und von daher wird die Eucharistie auch im 13. Jahrhundert so ein Thema, an dem sich noch einmal die Geister scheiden. Und dann kommt in diesem Zug der Gedanke auf, wir müssten dieses Geheimnis der Eucharistie doch mit einem eigenen Fest würdigen. Wir haben Gründonnerstag als Fest der Eucharistie, aber da ist doch ganz stark die Passion. Man blickt ja schon voraus auf Karfreitag. Aber der Dank für die Eucharistie und für das Geschenk, was man damit hat, das bräuchte doch eigentlich mehr, das müsste für sich selber noch mal gefeiert werden. Das wurde dann auch in einem Fest – zuerst regional begrenzt in Lüttich – aufgegriffen und dann von einem Papst, der im Lütticher Kontext beheimatet war, ein paar Jahrzehnte später, 1264, dann eben zu einem universalen Fest gemacht.

Das ist etwas, was mich irgendwie ein bisschen fasziniert oder was fast für mich ein bisschen rätselhaft ist: Da ist so eine Ordensfrau, irgendwo in Belgien, in Lüttich, die – so erzählt es die Geschichte – eine Vision hat und das verbreitet sich aber dann durch ganz Europa und schließlich in die Weltkirche. Wie kommt das, das so etwas nicht einfach lokal beschränkt bleibt?

 Zuerst sieht es sehr lokal aus, es hat Jahrzehnte gedauert von der Vision bis zum Fest - 1209 die Vision, 1264 das Fest. Danach hat es noch mal Jahrzehnte gebraucht, bis dieses Fest wirklich als universales Fest in der Kirche etabliert war. Also wir reden vielleicht davon, dass in der Mitte des 14. Jahrhunderts, also fast 100 Jahre danach, man sagen kann: Fronleichnam ist überall angekommen.

 Die Prozessionen kommen erst später

 Wie kam es zu den Prozessionen?

Sie gehören nicht integral zum Fest, sie wachsen wirklich dazu und hier steht wenigstens in Deutschland, wo diese Tradition der Prozession - also im deutschsprachigen Raum - am größten und verbreitetsten ist, da steht sicher die Tradition der Flurprozession im Hintergrund. Dass nun also gerade im Frühjahr, wenn die Saat bedroht war, wenn die Nachtfröste eben noch die so wichtige Ernte bei der Aussaat schon gefährden, dass man da eben den Segen von oben braucht und erbittet. Und was kann es denn wichtigeres und wirkmächtigeres geben als eben den Zuspruch jetzt in Gestalt der Eucharistie selber auch für diese für den Menschen so wichtigen Nahrungsmittel, die jetzt heranwachsen. Von daher hat man diese Verbindung der Flurprozession mit der Eucharistie, wo es mit dem Brot auch symbolisch eine Verbindung gibt zum Grundnahrungsmittel, eben hier sehr rasch einfach in eine stimmige Verbindung gebracht.

 Kann man etwas sagen, weiß man etwas von den verschiedenen Prozessionsarten, gibt es Kuriositäten oder ganz besonders große Prozessionen in der damaligen Zeit?

 Wir haben besondere Bräuche an manchen Orten, da, wo etwa wie in Mülheim bei Köln, es eben eine Schiffsprozession an Fronleichnam gibt, wo auch heute noch eine ganze Armada an großen und kleinen Schiffen das Sakrament auf dem Boot begleitet eben nach Köln oder in Süddeutschland bei großen Seeprozessionen, wo man mit der Monstranz auf einem Schiff über einen See zieht oder auch berittene Prozessionen, das sind diese besonderen Formen, aber man hat im Spätmittelalter und in der Barockzeit das Ganze auch richtig ausgebaut zu regelrechten Schauspielen, Fronleichnamsspielen, wo dann feuerspeiende Drachen und Teufel genauso dazugehören wie die Arche Noah oder ein frommer Christenmensch, der als Apostel oder als ein Heiliger verkleidet war.

 Luther ist gegen Fronleichnam

 Und wenn es dann zu sehr in die Folklore übergeht, dann gibt es wahrscheinlich auch Schwierigkeiten und Probleme. Ich könnte mir vorstellen, dass während der Reformation die Fronleichnamsprozession durchaus umstritten war.

 Ja, das wird relativ rasch bei Luther greifbar, wo er gerade dieses Fest abgeschafft sehen will. Sein Gedanke ist, dass das eben Heuchelei und äußerliche Frömmigkeit ist,. Das ist Spektakel, das hat mit der inneren Einstellung zu Christus, mit dem Vertrauen auf ihn, das Luther ja besonders wichtig ist, nichts zu tun. Es geht um den Genuss des Altarsakraments, des Abendmahls, und nicht um Anbetung und Anschauung. Deshalb fordert er den Wegfall der Prozession und all dessen, was sich drumherum an katholischer Frömmigkeit entfaltet hat. Seit dem 16. Jahrhundert haben wir Fronleichnam als ein konfessionstrennendes Moment, als eine Grenze, die hier auch in gemischtkonfessionellen Gebieten immer wieder für Konflikte gesorgt hat.

 Wie ist das heute? Kann man das heute noch genauso sehen oder hat sich da die Lage eher entspannt?

 Ich glaube, insgesamt hat sich das schon entspannt, obwohl eine Fronleichnamsprozession nach wie vor auch ein irritierendes Moment im ökumenischen Kontext sein kann. Aber es gibt auch schöne Beispiele für gemeinschaftliche, ökumenische Feiern an Fronleichnam, an denen wenigstens an einer Station etwa auch eine protestantische Kirche aufgesucht wird, gerade dann, wenn es am Sonntag ist und nicht am Fronleichnamstag selber, meinetwegen in Norddeutschland, wo es kein Feiertag am Donnerstag ist. Das hat mittlerweile in den letzten 20 Jahren an verschiedenen Orten ganz gut funktioniert.

 Fronleichnam heute: Möglichkeit als Kirche nach draußen zu gehen

 In unserer säkularen Gesellschaft, wo Religion ja mehr und mehr in den Privatbereich abgedrängt wird, ist Fronleichnam – so nehme ich es wahr – eher der Anlass, einen Brückentag anzuschließen, 4 Tage wegzufahren und frei zu haben. Hat Fronleichnam in der Gesellschaft noch eine Chance und wenn ja, wie könnte die aussehen?

Ich weiß nicht, ob es gesamtgesellschaftlich noch mal diesen Stellenwert erlangen kann, den es mal in einem geschlossenen – oder mehr  oder weniger geschlossenen – katholischen Milieu oder einer katholischen Gesellschaft wie in der frühen Neuzeit hatte, aber es hat durchaus glaube ich noch einen Charme für die kleiner werdende Gruppe der Katholiken selber, insofern es ja auch nach wie vor gerade attraktiv sein muss, das was einem wichtig ist, auch zu zeigen. Eine Kirche, die sich versteckt in der Sakristei und im Kirchenraum, das ist für mich eine ziemlich traurige Form von Kirche, so dass von daher gerade ein solches Fest noch einmal ein Anlass sein kann, auch nach draußen zu gehen und da eben auch die Gemeinschaft der Kirche sichtbar nach außen zu zeigen in der Verbundenheit mit dem Glauben an einen Jesus, der jetzt mitten unter uns ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17759
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