Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ich vermisse dich“ schreibe ich meiner Frau per SMS, wenn ich unterwegs bin. Vermissen, ein schwieriges und ein schönes Gefühl.  Wenn ich jemanden vermisse, dann fehlt er mir und das tut weh. Vermissen heißt aber auch: ich denke an jemanden. Da hat ein anderer einen Platz in meinem Herz und meinem Kopf. Und wenn mir jemand sagt, „Ich vermisse dich!“, dann tut mir das auch gut. Ich merke, ich werde gebraucht, an mich wird gedacht.

Pfingsten, das wir in den letzten Tagen gefeiert haben, ist ein Fest, bei dem es auch um das Vermissen geht. Es ist ein Fest, das daran erinnert, dass jemand fehlt. Dass ein wichtiger Mensch fehlt.

Pfingsten erzählt davon, dass Menschen sich treffen, es sind die Freunde Jesu. Sie haben ihn begleitet, haben ihm zugehört, mit ihm gegessen. Sie haben erlebt, dass dieser Jesus hingerichtet wurde.  Aber damit war nicht alles aus. Sie haben gespürt, dass ihr Freund bei ihnen war. Auch noch nach seinem Tod. Auferweckung heißt das in der Sprache der Bibel. Jesus war wie lebendig bei ihnen. Hat sie begleitet und belebt. Aber diese Zeit ist jetzt vorbei. Die Freundinnen und Freunde spüren diesen Jesus nicht mehr, sehen ihn nicht mehr. Sie vermissen ihn schmerzlich. Sie sind so voller Trauer, dass sie sich zurückziehen, Türen und Fenster verrammeln.

Aber an Pfingsten ändert sich das. In der Bibel heißt es: der Geist Gottes kommt über sie. Sie reißen die Fenster und Türen auf, beginnen allen Menschen von diesem Jesus zu erzählen. Für mich ist das das eigentliche Pfingstwunder: Dass die Trauer nicht das letzte Wort hat. Dass da Menschen kapieren: Ich muss von dem erzählen, was ich vermisse. Reden, das ist eine Therapie, die bis heute Wunder tut. Ich kann das erfahren, wenn ich traurig bin, wenn mich etwas bedrückt: Dass das darüber reden gut tut, heilsam ist. Genau das passiert an Pfingsten. Menschen brechen aus ihrem Gefängnis der Trauer aus und erzählen von dem, was sie schmerzlich vermissen. So kann neues Leben wieder beginnen. Und das ist dann tatsächlich ein Wunder.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17737
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