SWR3 Gedanken

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„Wie oft soll ich vergeben? Siebenmal?“ Ich sehe ihn genau vor mir, wie er Jesus ungläubig anstarrt. Und ich sehe Jesus, wie der milde lächelt, aber mit seinem Lächeln nicht die Härte seiner Antwort mildert: „Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“  So erzählt die Geschichte die Bibel.
Na, super. Auf gut deutsch heißt das: Wenn mein Freund das ganze Wochenende an seinem doofen Motorrad rumfrickelt und die Zeit – und mich! darüber vergisst, dann soll ich ihm verzeihen? Wenn meine Freundin mir nebenbei erzählt, dass sie jetzt mit meinem Exmann ausgeht – dann soll ich ihr das verzeihen? Wenn mein Arbeitskollege hinter meinem Rücken über mich böse Gerüchte verbreitet – ich soll ihm verzeihen? Und ihm immer wieder verzeihen? Ehrlich, da kann ich Jesus auch nur ungläubig anstarren und fragen: „Wie oft soll ich vergeben? Siebenmal?“
Vergeben ist Arbeit, vergeben ist schwer. Im Idealfall bittet der andere reuevoll um Vergebung. Aber dem ist ja leider nicht immer so. Vielleicht ist Vergeben deshalb voraussetzungslos. Eine innere Haltung, Frieden finden, weiterleben.
Denn Jesus hat vollkommen recht: Im Leben kommt es unweigerlich zu Verletzungen. Vergeben ist der einzige Weg, aus diesen Verletzungen wieder rauszukommen. Vergeben ist die einzige Antwort auf die Tatsache, dass wir alle Fehler machen und nicht vollkommen sind. Wir können nur miteinander leben, wenn wir vergeben lernen. Die Alternative wäre bitter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17689
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