SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich war gerne König David. Elf oder zwölf Jahre war ich, da wurde die Geschichte des großen Königs in unserer Schule aufgeführt. Unsere Mütter nähten Kleider, die Väter bastelten am Bühnenbild, das Holzschwert, geschnitzt von einem Onkel, habe ich immer noch. Wir lernten Texte und kannten die Geschichte des kleinen Hirtenjungen, der zum König wurde, bald aus dem Effeff. Jedenfalls das Wichtigste. Spannend war die Besetzung der Hauptrollen. Mir fiel der Davidpart zu, nicht weil ich mich durch außergewöhnliche schauspielerische Fähigkeiten hervorgetan hätte, sondern weil ich schlicht der Kleinste in der Klasse war, vielleicht sogar eher der Schmächtigste und deshalb unserem Klassenlehrer für diese Rolle besonders geeignet erschien. Die Figur des Goliath, des Philisterriesen, der vom Hirtenjungen David mit einer Schleuder erledigt wird, spielte der Längste und Stärkste in unserer Klasse, einer der mich genau das oft hatte spüren lassen. Davids Triumph über Goliath war auch der meinige über den starken Alexander. Die Regieanweisung, den Fuß auf den erlegten Goliath zu positionieren, nahm ich sehr wörtlich. Kräftig rammte ich ihm während der Aufführung den Fuß in die Rippen und genoss das Gefühl, dass er sich vor dem versammelten Eltern- und Lehrerpublikum nicht wehren durfte – laut biblischem Drehbuch war er ja mausetot. Natürlich habe ich diesen Sekundentriumph später bitter bereut, die Rache von Alexander alias Goliath verfolgte mich in den kommenden Tagen. Der kurze Triumph schmeckte zwar süß, bezahlt habe ich ihn mit manch blauen Flecken. Trotzdem war mir seitdem die Gestalt des kleinen David, der später zum König wird, besonders lieb und ans Herz gewachsen. Auch wenn ich jetzt - damit das klar ist- natürlich andere Methoden bevorzuge, wenn es ums Streiten geht. David wurde mein Spitzname, unser Klassenlehrer nannte mich noch so bis zu seinem Tod vor wenigen Jahren.

Die Zugänge zu biblischen Gestalten sind individuell, nicht immer nur akademisch, manchmal auch bizarr biographisch. Das mir heute die Psalmen Davids wichtiger sind als seine Helden- und Frauengeschichten, liegt auf der Hand.  

So gibt es in der Bibel genug Figuren, die mir etwas zu sagen haben. Und nicht nur das, was man ganz klassisch auf den ersten Blick erwartet. Lebendig ist sie die Bibel, mehr als Literatur. Sie begleitet, verändert, stärkt und mahnt auch den, der es wirklich will. Und das schon seit tausenden von Jahren. Bis heute.  

Ihnen allen einen erholsamen Abend und eine gute Nacht,

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