SWR3 Gedanken

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Es war die Sensation vor ziemlich genau neun Jahren im Zeltlager in Südfrankreich. Genau in jener Woche fuhr eine Etappe der Tour des France nur wenige Kilometer entfernt vorbei. Die Kinder waren elektrisiert, wollten unbedingt dabei sein, am Straßenrand stehen. Für jene, die dann auch noch ein Werbegeschenk vom Team Telekom ergattern konnten, war dieser Tag der Höhepunkt der ganzen Freizeit. Vorbei! Heute wäre es vermutlich anders.
Profisport sei nämlich so etwas wie eine Spielart des Krieges, meinte mal der Soziologe Jean-Marie Brohm und beides könne nun mal nicht sauber sein. Die Geständnisse der Radprofis im Dopingskandalscheinen ihm Recht zu geben. Die Begründungen für systematischen Betrug und die Ruinierung der eigenen Gesundheit sind fast immer gleich: Ich musste es tun, weil die andern es auch gemacht haben. Haben wir alles schon mal gehört. Beim Wettrüsten im Kalten Krieg zum Beispiel. Man ist halt immer irgendwie Opfer und die Anderen die eigentlich Schlimmen.
Doch auch wenn Profisport zum Glück kein kalter Krieg ist, ein edler Wettkampf der Jugend der Welt, wie es pathetisch noch immer vor jeden olympischen Spielen heißt, ist er auch nicht. Nüchtern betrachtet ist er ein knallhartes Geschäft der Unterhaltungsbranche mit gewaltigen Umsätzen, in dem es viel zu verdienen oder eben zu verlieren gibt. Kein Wunder, wenn die Akteure schon deshalb unter einem enormen Druck stehen. Für Einige ist er freilich auch mehr als das: Profisport kann zu etwas wie einer Ersatzreligion werden, mit Helden, die wie Götter verehrt werden, mit Sportevents, deren Inszenierung Ähnlichkeiten mit einem Papsthochamt hat, mit Berichterstattern, die sich freiwillig zu Priestern einer Pseudoreligion machen.
Die wirkliche Religion muss sich schon lange im scharfen Wind der Aufklärung behaupten, sich kritischen Nachfragen stellen. Das tut ihr alles in allem gut. In Teilen des Profisports scheint die Aufklärung gerade erst begonnen zu haben.

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