SWR2 Wort zum Tag

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Der erste Blick des Neugeborenen noch ganz offen und unbestimmt. Er scheint aus einer anderen Welt zu kommen und er hat die Macht, das Herz der Eltern ganz für sich einzunehmen. Und das Erste, was ein Neugeborenes dann normalerweise sieht, sind die Augen seiner Mutter und seines Vaters. Dann entwickelt sich ein Hin- und Her, anschauen und angeschaut werden, wobei das Kind allmählich die Gesichter seiner Eltern kennen lernt und schließlich darin seine Mutter und seinen Vater erkennt. Psychologen betonen, wie wichtig es ist, dass ein Kind sich im liebevollen Blick seiner Mutter und seines Vaters spiegeln kann, im Glanz ihrer Augen. Dieser Blick gibt  dem Kind das Gefühl: Du bist geliebt und angenommen; du kannst dich hier ganz sicher fühlen; wir sind für dich da. Ein Kind, das so angeschaut wird, wird diesen Blick irgendwann zurückgeben und seine Eltern seinerseits mit seinem strahlenden Lächeln beschenken. Und die Eltern haben so an seiner ursprünglichen Lebensfreude teil. 

Liebevoll angeschaut zu werden – das bleibt ein tiefes menschliches Grundbedürfnis – ein Leben lang. Dass jemand uns ansieht und wahrnimmt, dass wir „Ansehen“ haben – ohne diese Erfahrung können wir uns als Person- nicht entfalten. Wir brauchen ein Du, um ich werden zu können. Wie  wir angesehen werden, so schätzen wir uns selbst ein. Das gilt im Guten wie im Schlechten. Und wir können umgekehrt auch anderen Menschen Ansehen geben: wenn wir sie bewusst wahrnehmen, ihnen offen in die Augen schauen, uns für sie interessieren, und ihnen deutlich zeigen, was wir an ihnen schätzen.

In der Bibel wird von vielen Menschen erzählt, die genau das erfahren haben, als sie Jesus begegnet sind. Es waren häufig Menschen, die zuvor kaum ein Ansehen hatten, die missachtet waren. Ich denke an den korrupten Zolleinnehmer Matthäus oder die stadtbekannte Hure, die Jesus die Füße wäscht. Die beiden und viele andere hat Jesus als Person wahrgenommen und angeschaut – Er hat sie trotz ihrer offensichtlichen Defizite und Sünden nicht verachtet und abgestempelt – sondern angenommen und geliebt. Das war für sie eine Erfahrung, die ihrem Leben eine neue Wendung gegeben hat.

Liebevoll angeschaut zu werden – das kann auch eine religiöse Erfahrung sein. Gott schaut uns liebevoll an. Jeden einzelnen. Das kommt besonders schön im so genannten aaronitischen Segen zum Ausdruck. „Der Herr segne dich und behüte dich. Er lasse sein Antlitz über dir leuchten und sei dir gnädig. Er wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Frieden.“ Ein Zuspruch, mit dem der Tag heute gut beginnen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17601
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