SWR3 Gedanken

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Heute ist Weltspieltag. Keine Sorge. Das heißt nicht, dass Sie am einarmigen Banditen ein Vermögen verzocken oder vor dem Spiegel ein Pokerface einüben sollen. Es heißt noch nicht einmal, dass Sie für Ihre Kinder einen ausgeklügelten Spieleparcour im Garten aufbereiten oder sich einen Nachmittag mit „Monopoly“ um die Ohren schlagen müssen. Weltspieltag heißt zunächst einmal, dass Sie Ihre Kinder in Ruhe lassen sollen. In Ruhe spielen lassen sollen.
Wenn ich mein Kind in Ruhe lasse, dann spielt es. Es spielt keine Brettspiele und keine Kartenspiele. Meine Tochter spielt am liebsten „Familie“. In wechselnden Besetzungen und mit wechselnden Freunden bringt sie Stunden über Stunden mit Rollenspielen zu. Mal ist sie die Mama, mal die Schwester, manchmal auch der Hund. Aus der Küche höre ich zu. Ich höre Liebeserklärungen und Konflikte. Ich höre Sätze, die aus meinem Mund stammen könnten. Vor allen Dingen höre ich Kinder, die das Leben üben. Das soziale Leben üben.
So etwas nennt man „freies Spiel“. Und dafür tritt der Weltspieltag ein. Für das Recht von Kindern, ihren Spieltrieb frei ausleben zu dürfen. Weil das Spielen keine sinnlose Freizeitbeschäftigung ist, sondern ein wichtiger Weg für Seele und Verstand, sich zu entwickeln. Wie verhalte ich mich in einer Gruppe? Wie finde ich meine Rolle? Was ist mir wichtig im Zusammensein mit anderen? All das trainiert das freie Spiel.
Lesen, Schreiben, Rechnen sind wichtig, wenn es um die Entwicklung von Kindern geht. Ob Dreijährige schon Klavierspielen müssen und Fünfjährige Chinesisch sprechen sollen, darüber lässt sich streiten. Aber ohne Spielen gibt es keine echte Kindheit. Und wer im Spiel das Leben lernt, lernt fürs Leben. Lernt Dinge, die ein Leben lang wichtig sind. Also lehnen Sie sich heute gemütlich zurück, greifen Sie zu einem guten Buch und lassen Sie Ihren Kindern die Freiheit zu spielen.

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