SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

Es ist eines der bekanntesten geistlichen Lieder, weltweit: „Amazing grace.“ Ein österliches Lied; allerdings erzählt es nicht von Jesus, sondern von Ihnen und mir. Dass jeder in ein neues Leben aufstehen und verwandelt werden kann. Ich bin nicht festgelegt auf meine alten Muster, muss nicht verstrickt bleiben in die immer gleichen Fehler. Es ist möglich, sich zu verändern. Und „amazing grace“ weiß, neu zu werden ist Gnade. Erstaunliche Gnade.
Musikalisch kommt das Lied oft kitschig daher, nicht so bei Jessye Norman:
Neu werden ist beglückend und ernst zugleich.

Musik 1 Amazing grace Jessye Norman

„Amazing grace: how sweet the sound.
That saved a wretch like me.”
Erstaunliche Gnade, – wie lieblich - die ein Wrack wie mich errettete! Verloren war ich, doch jetzt bin ich gefunden.
War blind, doch nun sehe ich.“

John Newton beschreibt seine Verwandlung von Grund auf. Als wäre es die Erfahrung eines Augenblicks. In Wahrheit verdichtet er Erfahrungen von Jahren auf ihren Kern, in religiöser Sprache.
Wer war John Newton?
Drei Stichworte können sein Leben auch beschreiben.
„Sklave - Kapitän eines Sklavenschiffes - Kämpfer gegen die Sklaverei.“

1725 ist er geboren. Von Religion hat er ein wenig mitbekommen von seiner Mutter. Mit 11 beginnt seine seemännische Ausbildung. Er heuert an auf einem Sklavenschiff, gerät in die Fänge eines Sklavenhändlers in Afrika. Ein Freund seines Vaters kann ihn befreien.
Zurück in England steigt John Newton auf zum Kapitän eines Sklavenschiffs. Todesangst in einem furchtbaren Sturm wird der Anstoß zum Neuen.
In der zweiten Strophe von „amazing grace“ spiegelt sich das.

Musik 2 Charlie Haden

Gnade war’s, die mein Herz Furcht lehrte,
Und Gnade erlöste mich von meinen Ängsten:
Wie köstlich erschien mir diese Gnade
Zu der Stunde, da ich zu glauben begann!

’Twas grace that taught my heart to fear,
And grace my fears relieved:
How precious did that grace appear,
The hour I first believed!

Trotzdem bleibt er noch Kapitän auf dem Sklavenschiff.
Erst mit 30 steigt er aus. Beschäftigt sich intensiv mit Religion und wird Pfarrer.
Erst jetzt, mit 40, schreibt er rückblickend „amazing grace“.
Ich ahne, was er mit Gnade meint: Lebenserfahrungen werden Gotteserfahrungen: Wenn das Leben unterbrochen wird und man erkennt:
Das war kein freies Leben. Ich habe es mir im Falschen bequem gemacht. Wenn es gelingt, durch solche Erfahrungen mein Leben neu auszurichten, das ist Gnade.
Bei Newton geht das noch weiter. Mit über 60 wird er politisch. Im britischen Oberhaus kritisiert er den gnadenlosen Sklavenhandel. Man kann nicht zusehen, wie andere gnadenlos behandelt werden, wenn man selbst Gnade erfahren hat.
Ich finde, sein Lied öffnet Räume. Es erinnert: Die Chance, neu zu werden, steht offen. Es ist für Christen fundamental, an diese Gnade zu glauben. Für sich und andere.

Musik 3 Ladysmith Black Mambazo

Musik 1 Amazing Grace track 12 von CD 1 Jessye Norman; „Between love and loss”
Philips (Universal) LC 00305
Musik 2 Amazing grace track 5 von CD Charlie Haden; Not in our name LC 00699
Musik 3 Amazing grace track 13 von CD ‘Journey of Dreams’;Interpreten: Ladysmith Black Mambazo; Rhino Music LC 02982

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17440
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