SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Genuss ohne Gewissen, Geschäft ohne Moral, Religion ohne Opfer.“ Das sind 3 von 7 Sünden, die Mahatma Gandhi in der modernen Gesellschaft am Werk gesehen hat. Mahatma Gandhi, der Hindu, der gewaltfrei den Widerstand gegen die britische Besatzung in Indien organisiert hat. Er hat sehr viel von Jesus gelernt, hat er oft gesagt. Für viele Christen ist er selbst ein Vorbild gewesen. Dietrich Bonhoeffer wollte ihn kennen lernen. Martin Luther King hat ihn verehrt und seine Methoden übernommen.
„Genuss ohne Gewissen, Geschäft ohne Moral, Religion ohne Opfer.“ „Religion ohne Opfer“ eine tiefer Makel der modernen Gesellschaft? Ich weiß nicht, ob Gandhi das heute noch einmal so formulieren würde. Nachdem wir jeden Tag sehen, welch tödliche Folgen die Opferbereitschaft religiös motivierter Menschen haben kann. Diese Form des „Gewaltopfers“ hat Mahatma Gandhi nie und nimmer gemeint.
Allerdings, was Gandhi meinte, bleibt meines Erachtens wahr. Es fordert mich heraus. Vor allem die Art wie ich meinen Glauben auch oft lebe. Und ich nur ich.
Für viele Menschen ist Religion etwas Innerliches. Geistige und seelische Kraft, die inneren Halt gibt. Die tröstet. Und das ist auch richtig.
Andere erleben sich als religiös, wenn sie Erhabenes erleben: Eine große Kathedralen besuchen oder Bachs Passionen oder Oratorien beiwohnen. Oder junge Leute fahren begeistert zu großen Religionsevents: Kirchen- oder Weltjugendtagen. Und ich finde das auch gut und freue mich, wenn ich das erleben kann.
Aber Gandhis Wort zielt genau hier hinein: Fehlt da nicht etwas? Wenn Religion vor allem schön und innerlich und erhaben und tröstend ist und begeisternd. Religion will auch praktisch werden. Sie will auch das Handeln prägen. Das mahnt Gandhi mit seinem scharfen Wort an: „Religion ohne Opfer ist ein tiefer Makel der modernen Welt“.
Der Apostel Paulus drückt das in seinem Brief an die Römer positiv so aus: Ich ermahne euch, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt.

Der christliche Glaube ist nicht nur Kopf- und Herzenssache. Er will leiblich werden, Hand und Fuß bekommen. Ins Leben hinein wirken. In die Niederungen des Alltags. In die Büros von Banken, Institutionen, Rundkunkanstalten und Kirchen. In Gesetze, die in unseren Parlamenten gemacht werden. In unsere Beziehungen. Religion will so in jedem Gläubigen ihre Kraft freisetzen. Manchmal muss ich mich dafür auch anstrengen. Einsatz bringen. Wenn Religion so in Ihnen und mir lebendig wird, kann sie das Leben fördern.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1744
weiterlesen...