SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wir Männer sind doch nicht so tumb und stumm. Die Meldung hat mich richtig erleichtert. Ein Psychologenteam in den USA hat es herausgefunden: „Männer reden genauso viel wie Frauen.“
Wenn es stimmt, mir würde das mehr gefallen, als das wovon man bisher ausgegangen ist. Hatte sich doch in den letzten Jahren der Mythos vom fundamentalen Geschlechterunterschied als Tatsache fest etabliert. Nach dem Muster: Aus den Tiefen unserer Steinzeitexistenz sei uns bis heute in die Wiege gelegt, dass Frau nicht einparken kann und Mann nicht zuhören. Und dass Mann eben nur 7000 Wörter pro Tag kann, Frau aber 20000 pro Tag muss. Diese Mann-Frau-Stereotypen waren zwar witzig, aber auch ärgerlich. Weil man es dann so leicht hat, sich in der Steinzeitvergangenheit einzurichten. Und vor allem: Weil der Geschlechterunterschied auf einmal wieder so ein großes Gewicht bekommen hat. Hier Mann, dort Frau.
Und jetzt diese neue Untersuchung aus den USA:
Männer wie Frauen reden pro Tag 16000 Wörter. Im Durchschnitt. Denn hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich große individuelle Unterschiede. Da gibt es Plaudertaschen, die über 40000 Wörter produzieren und stille Wasser, denen 500 pro Tag genügen. Das Entscheidende: Diese Unterschiede haben nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit unseren reichen Unterschieden.
Darum finde ich diese Untersuchungsergebnisse aus den USA so schön: Sie sagen zum einen: Der Unterschied von Mann und Frau wird gern überbewertet, nebenbei auch in den Religionen, auch in der Kirche.
Und zum anderen sagen sie: Wir Menschen sind individuell, wir sind einander im Durchschnitt ähnlich und zugleich sehr eigen. Und genau darin liegt der Reiz und der Ansporn, uns zu verständigen, uns zu achten und zu vertragen.
Deshalb gefällt mir diese neue Studie auch als Christ. Erinnern sie doch an eine geniale christliche Vision: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus, schreibt der Apostel Paulus in einem seiner Briefe. In der Gemeinschaft der Christen, da könnten doch diese alt vertrauten kulturellen, biologischen und wirtschaftlichen Gräben und Mauern, hinter denen wir uns so gern verschanzen und einrichten, ihre Macht verlieren.
Da können Frauen führen, ohne viele Worte, und Männer zuhören, und andersrum.
Nicht Mann, noch Frau. Diese christliche Vision nivelliert Unterschiede nicht, aber sie sollen Menschen nicht festnageln, sondern bereichern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1743
weiterlesen...