SWR2 Wort zum Tag

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Fabian ist 15 Jahre alt und hat Leukämie. Er sagt: „Ich habe ein kleines Kreuz in meinem Geldbeutel, das lege ich abends auf mein Herz und bete. Im Krankenhaus findet man mehr Bezug zu Gott. Draußen habe ich zwar auch ab und zu an Gott gedacht, aber hier mehr. Mein Vater hat das Kreuz gekauft und es zuerst als Kette selbst getragen, dann hat er es mir geschenkt und gesagt: ‚Da steckt meine Kraft und Gottes Kraft drin‘.“  „ Gott hilft mir auf jeden Fall!“, davon ist Fabian überzeugt.

Ich bin auf seine Wort in einem bemerkenswerten Buch gestoßen. Kinder und Jugendliche in der Uni-Klinik Tübingen schildern darin ihr Leben mit Krebs.[1] Nicht alle Texte in diesem Buch strahlen ein solches Vertrauen aus. Aus vielen spricht Angst, Zorn, Verzweiflung, Trauer. Und immer wieder die Frage: „Warum?“ Der ebenfalls 15-jährige Samuel meint zwar: „Man bekommt ja keine Antwort auf die Frage nach dem Warum, deshalb bringt es auch nichts darüber nachzudenken.“ Dennoch drängt sich die Frage nach dem Warum? unausweichlich  auf. Und mit ihr - ausdrücklich oder unausgesprochen – die Frage nach Gott. „Es ist so unfair, dass Kinder diese Krankheit kriegen“, meint der zehnjährige Paul, „sie können doch nichts dafür.“  Und Faye, mit zehn Jahren an Leukämie verstorben, hat geschrieben: „Ich hatte so Spaß am Leben. Manchmal denke ich, ich werde bestraft, aber ich weiß nicht, warum. […] Manche Sehnsuchtswünsche habe ich an den Himmel geschickt, an jemanden, der aufpasst. Manchmal sage ich Gott zu ihm, weil mir nichts anderes einfällt. Dreiviertel der Wünsche sind nicht in Erfüllung gegangen. Darüber war ich sauer und jetzt denke ich, dass ich vielleicht deshalb krank geworden bin.“

Was kann man diesen jungen Menschen antworten? Sind ihre Fragen nicht auch meine Fragen? Wie viele Menschen haben zu Gott gefleht – und es schien vergeblich. Wie viele hadern mit ihm und fürchten zugleich, sich dadurch zu versündigen. Wie viele deuten ihr Unglück als Strafe und fragen sich, womit sie das verschuldet haben. Warum?

Hiob, der vom Unglück geschlagene Mensch in der Bibel, weist die klugen Begründungen  seiner Theologenfreunde zurück. Und er wehrt sich, als sie meinen, er habe sein Leid selbst verschuldet. „Ich lege meine Hand auf meinen Mund“, sagt Hiob darauf (Ijjob 40,4). Ich weiß oft auch keine Antwort. Es gibt Leid, vor dem Worte hilflos sind; und manche menschliche Tragik darf ich einfach nicht zu erklären versuchen. Gibt es aber vielleicht so etwas wie eine Kraft jenseits der Worte? Anders gesagt: Kann es mein Dienst für diese Kinder und Jugendlichen sein, dass ich für sie bete, dass ich vertraue, gleichsam stellvertretend, und dass ich ihre unbeantworteten Fragen in das Geheimnis Gottes hineintrage? 

[1] Kathrin Feldhaus/Margarethe Mehring-Fuchs (Hrsg.), Ich hab jetzt die gleiche Frisur wie Opa. Wie kranke Kinder und Jugendliche das Leben sehen, mit einer CD: Hörspiel „Glücksmomente“, Ostfildern 2014 – gefördert von der Veronika-Stiftung der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17410
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