SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Warum wird jemand zum Verräter? Und hat er etwas davon?
Mit den Konfirmanden habe ich über Judas gesprochen. Der Jünger, der Jesus verraten hat. Die Bibel erzählt, dass Jesus durch Judas an die römischen Soldaten verraten wurde. Sie haben Jesus verhaftet. Am Ende wurde er gekreuzigt.
„Warum hat Judas das getan?“ habe ich die Jugendlichen gefragt. „Er war doch sein Freund, sein Schüler.“
Die Antwort fällt den Konfirmandinnen und Konfirmanden nicht leicht. Sie haben darüber nachgedacht, wo es in der heutigen Zeit Verräter gibt. Menschen, die sogar ihren Freunden schaden. Und warum sie das tun.
„Weil er Geld dafür gekriegt hat,“ hat Tim gesagt. Das kann er sich gut vorstellen. Dreißig Silberlinge, sind es bei Judas gewesen, lesen wir in der Bibel. Klingt nach ziemlich viel. „Wenn die Summe stimmt, wird jeder zum Verräter,“ sagt ein Konfirmand.
„Judas hat Jesus verraten - vielleicht: Weil Jesus einen anderen Jünger lieber mochte.“ hat sich Sina überlegt. Konkurrenz unter Freunden. Alltagserfahrung der Dreizehnjährigen. Eifersucht. Neid. Lehrer, die anscheinend den Klassenkameraden unverdientermaßen die bessere Note geben. Eltern, die die Schwester augenscheinlich bevorzugen oder dem kleinen Bruder Sachen durchgehen lassen, die die große Schwester verboten kriegt. Das kennen die Konfirmanden aus ihren Familien und aus der Schule. Aus Enttäuschung wird man dann zur Petze. „Rache ist süß,“ sagt das Sprichwort.
Judas damals hat an den dreißig Silberlingen keine Freude gehabt und konnte sich bei den anderen Jüngern nicht mehr blicken lassen. Er hat seinen Verrat später bereut.
Jemanden verpetzen, weil ich mir einen Vorteil davon verspreche - nicht immer sind die Folgen eines Verrats so schlimm wie in der Geschichte von Judas und Jesus. Meine Konfirmanden fanden trotzdem: Kein Verrat lohnt sich. Verrat macht alles immer nur noch schlimmer. Damals wie heute. Hoffentlich fällt ihnen das wieder ein, wenn es darauf ankommt.

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