Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Fünf Jahre lang saß die Frau tot in ihrem Auto – dann erst wurde sie entdeckt. Die Meldung ging vor wenigen Tagen durch die Presse und hat mich nicht losgelassen. Eine Frau stirbt. Und fünf lange Jahre fällt das niemandem auf. Nachbarn, Verwandte, Freunde, ehemalige Kollegen – keiner vermisst sie. Die Kosten für Telefon oder Strom werden mit Daueraufträgen geregelt, Post gibt es kaum, das meiste läuft über Internet und Mailverkehr. Erst als das Konto auf Null steht, macht sich jemand von der Bank auf und findet die Frau: Auf dem Rücksitz ihres Autos, das in der Garage steht.

Wie kann ein Mensch von niemandem vermisst werden, frage ich mich. Die Erklärungen klingen plausibel. Die Nachbarn denken, die Frau ist beruflich im Stress, viel unterwegs. Die Verwandten leben weit auseinander, haben sich aus den Augen verloren. Kurz vor ihrem Tod verlor die Frau ihren Job – auch auf der Arbeit vermisste sie keiner.

Und trotzdem: Da leben wir in einer vernetzten Welt, da stehen die meisten ständig in Kommunikation mit anderen – und jemand verschwindet plötzlich, ohne dass das bemerkt wird, fällt durch das soziale Netz, bleibt nirgendwo hängen.

Gott, so glaube ich, vergisst niemanden. Hängt an jedem Menschen. Aber das klingt so hochtrabend, wenn ich mir das Schicksal der toten Frau auf dem Rücksitz ihres Autos in der Garage vorstelle. Und ich bin mir sicher. Ich bin aufgerufen, diesen Glauben wahr zu machen. Es liegt an mir selbst – wie jedem anderen Christen – meinen Glauben mit Leben zu erfüllen. Und das heißt: ich muss in meiner Umgebung dafür sorgen, dass keiner vergessen wird. Dass niemand aus dem Leben verschwinden kann, ohne das es jemand merkt. Das kann ich nicht für die ganze Welt tun. Aber in der Nachbarschaft aufmerksam sein, auf Arbeitskollegen achten, mich bei Verwandten melden. Dann werden vielleicht auch andere spüren können, dass dieser Glaube den Menschen meint. In jeder Lebenssituation.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17339
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