Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Hier kannst du anhalten.“
Meine Nichte klopft mir von hinten auf Schulter.
„Aber deine Schule ist doch erst da vorne“, sage ich.
„Ja“, sagt sie, „aber du musst mich nicht ganz hinbringen.“
„Aber warum denn nicht“, sage ich, „ich muss doch eh da vorne vorbei fahren.“
Wenn Sie Kinder in der Pubertät haben, dann wissen Sie, dass ich gerade wieder gar nichts kapiere. Meine Nichte möchte nicht bis vor die Schule gefahren werden. Das ist nämlich uncool. Wie sieht denn das aus. Von dem alten Onkel gefahren. Wie spießig.
Ich verstehe das nicht mehr. Dafür bin ich schon zu alt. Und da kann man auch nicht mit den alten Sprüchen anfangen. So nach dem Motto: Ich wäre früher froh gewesen, wenn mich jemand gefahren hätte.
Tja. Irgendwann werden die Eltern schwierig. Einfach peinlich. Die Eltern machen sich immer so viele Sorgen, völlig unnötig.
Der Apostel Paulus sagt in einem Brief, dass wir alle Gottes Kinder sind. So gesehen ist mir Gott manchmal auch peinlich.
Wie peinlich ist es denn zu glauben, dass da jemand ist, der jeden Tag mit dir geht. Willst du nicht selbst bestimmen, wo du hingehen willst?
Wie uncool ist es zu glauben, dass dich jemand beschützen muss. Kannst du nicht selbst auf dich aufpassen?
Wie spießig ist es zu glauben, dass da jemand ist, der dir immer zuhört und der dich so akzeptiert, wie du bist. Gerade dann, wenn du dich selbst nicht richtig leiden kannst.
Vielleicht bin ich wirklich schon zu alt für diese Fragen. Vielleicht bin ich aber auch cool genug, um uncool zu sein.
Besser uncool mit Gott als cool ohne Gott.
Meistens ist man dann nämlich nicht cool, sondern nur eiskalt. Besser ein bisschen Wärme, gerade wenn man morgens zu Schule gehen muss.
Aber trotzdem trete ich auf die Bremse. Ich halte 500 Meter vor der Schule und lasse meine Nichte aussteigen. Irgendwie kann ich sie ja verstehen. Aber irgendwie bin ich auch froh, dass ich nicht mehr in ihrem Alter bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17300
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