SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Die Zeit heilt alle Wunder. So heißt ein Lied der Rockgruppe „Wir sind Helden“. Die Zeit heilt alle Wunder. Bisher hatte ich nur gehört, dass die Zeit Wunden heilt – aber heilt sie auch Wunder? Ich habe den Liedtext so verstanden: Jeder von uns begegnet kleinen und großen Wundern. Nur leider verlerne ich mit der Zeit, diese Wunder auch zu sehen. Und auch das größte Wunder geht vorbei, wenn ich keinen Blick dafür habe.

Bei Kindern ist das noch anders. Kinder haben noch nicht verlernt, auf Wunder zu achten. So heißt es in dem Lied weiter: „Du bleibst, kaum kannst du laufen, alle zwei Meter stehen und fällst auf die Knie, um noch ein Wunder zu sehn.“

Kinder staunen selbst über die einfachsten Dinge. Kinder bleiben alle paar Meter stehen, weil sie einen Käfer oder einen Stein entdeckt haben. Die Eltern fangen an zu drängeln, doch das Kind hat nach zwei Metern das nächste Wunder aufgestöbert. Das Lied macht Mut für diesen kindlichen Blick. Allzu schnell werden wir erwachsen, werden vernünftig und haben keine Zeit, um uns zu wundern. Im Lied heißt es dazu: „Die Zeit heilt und alle wundern sich nach all den Jahren, dass nichts bleibt als ein paar Stunden, da wo Wunder waren.“

Das Schöne an Wundern ist, dass sie uns geschenkt werden. Wer mag, kann darin einen kleinen Fingerzeig Gottes sehen. Für ein Wunder kann ich selbst jedenfalls nicht viel tun. Ich kann es nicht machen. Ich kann nur mit offenen Augen durch die Welt gehen und staunen.

In dem Lied heißt es: „Du weißt: ein Feuer geht aus, wenn du es länger nicht schürst.“ Dieses Feuer will ich mir bewahren. Vielleicht entdecke ich dann nicht auf Schritt und Tritt ein neues Wunder. Aber ich bin neugierig und bereit für das nächste Wunder. Hektik und Stress decken nicht mehr alle Wunder zu. Sondern die Zeit kann für einen Moment stehen bleiben. Und ich staune still.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17295
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