SWR2 Wort zum Tag

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Alles ist Windhauch, sagt Kohelet.
Kohelet ist ein kleines Buch im Alten Testament, das fälschlich dem Prediger Salomo zugeschrieben wird.  Es wurde rund 200 Jahre vor Christus geschrieben und zählt zur Weisheitsliteratur des Alten Testaments.
Kohelet ist ein Mensch mit Lebenserfahrung, ein Skeptiker, der nüchtern die Situation seiner Zeit betrachtet. Er fragt: was hat wirklich Bestand?
Alle Bereiche des Lebens haben ihre Zeit: weinen und lachen, reden und schweigen, fasten und genießen, lieben und hassen, geboren werden und sterben. Windhauch ist das ganze Leben: flüchtig und vergänglich. Alles vergeht: Wissen, Erfolg, das Schöne, Reichtum, die Jugend und das Leben selbst.
Den Mächtigen und Reichen, die glauben, in Sicherheit zu leben und in ihrem Besitz ihr Heil suchen, ruft Kohelet zu: Alles ist flüchtig, vergänglich. Alles ist Windhauch.
Höre ich diese Sätze, frage ich mich, ob sie auch heute ihre Gültigkeit haben?
Es ist ja kein Zufall, dass ich in besonders angespannten Situationen, auch in Zeiten, wenn manches etwas aus dem Ruder läuft, nach Sinn und dem frage, was Bestand hat.
Das Haben ist flüchtig, sagt Kohelet. Ich kann mich nicht darauf verlassen.
Aber es gibt andere Schätze. Sie gehören auf die Seite des Seins. Dazu zählen für mich die Liebe, das Vertrauen, das Behütet- und Geborgensein, die Hoffnung auf ein Morgen.
Was also hat Bestand im Leben?
Es sind die Dinge, die das Leben reicher machen über das Nötige und Nützliche hinaus: Nahrung für die Seele, mitmenschliche Begegnungen, Farben, Töne, Worte. Dieses Mehr macht Leben aus, geben dem Leben Sinn und Bestand.
Kohelet meint, dass das, was wir manchmal so wichtig nehmen, nicht alles im Leben ist. Deshalb kann er sagen und ich denke, dass das auch für die Fastenzeit gilt:

Genieße das Leben mit dem Menschen, den du liebst,
alle Tage Deines Lebens, die dir Gott gibt unter der Sonne...,
denn das ist dein Anteil am Leben und an deiner Arbeit,
für die du dich abmühst unter der Sonne.
Alles, was deine Hand zu tun findet, das tue mit vollem Einsatz.

Übersetzung nach Diethelm Michel, Qohelet (1988)

 

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