SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Die folgende Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hat mich ziemlich irritiert: Eine Bekannte teilt mir darin mit, dass die beste Freundin meiner Mutter gestorben ist.
Seit dem Tod meiner Mutter vor 15 Jahren hatten wir keinen Kontakt mehr. Es ist deshalb nicht die Nachricht von ihrem Tod, die mich so irritiert hat, sondern, weil mir bewusst geworden ist, dass ich in den vergangenen Jahren kaum mehr an sie gedacht habe. Dabei hatten wir viele Jahre so einiges miteinander zu tun.  Wir haben uns immer gut verstanden. Schöne Erinnerungen verbinden mich mit ihr. Verschiedene Begegnungen sind mir noch sehr gegenwärtig. Auch sie selbst, ihr Gesicht, ihre Gestalt, ihr Lachen und ihre Art zu sprechen.

Wir sind dann in eine andere Stadt gezogen, viel zu weit weg um sich mal eben schnell zu besuchen. Und als meine Mutter dann nicht mehr lebte – haben wir uns aus den Augen verloren.
Wie konnte das passieren, frage ich mich. Offenbar geht es schneller als man denkt, dass man irgendwann nichts mehr von einander hört.
Das ist mir auch mit anderen Menschen so gegangen. Es ist nun mal so, auch wenn ich es eigentlich gar nicht will, viele Beziehungen sind begrenzt auf eine bestimmte Lebensphase und einigen entwächst man einfach. Oft ungewollt und ohne einem Menschen weh tun zu wollen. Hin und wieder kommt die flüchtige Erinnerung, aber dann wird man gleich wieder eingeholt von den aktuellen Dingen des Lebens, von den Menschen, die einem jetzt nahe stehen.
Manchmal bin ich traurig darüber. Und manchmal versuche ich auch wieder Kontakt zu bekommen. Hin und wieder gelingt es. Aber viele Menschen erreiche ich nicht mehr.
Ich schaffe es einfach nicht, alle Kontakte zu pflegen.

Ich glaube, manchmal muss ich mich dann damit abfinden, dass mir von vielen Menschen eigentlich nur die Erinnerung an eine gemeinsam verbrachte Zeit bleibt. So wie ich mich damit abfinden muss, dass mein Leben begrenzt ist, so kann ich auch mit vielen Menschen nur eine begrenzte Zeit meines Lebens verbringen. Und ich will dankbar sein diesen oder jenen Menschen getroffen zu haben.

Für die verstorbene Freundin meiner Mutter habe ich in der Kirche eine Kerze angezündet. Ich habe mich so von ihr in Gedanken ein letztes Mal verabschiedet.
Im Buch Kohelet im Alten Testament steht dazu ein tröstlicher und weiser Satz:
„Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit, …eine Zeit zum Pflanzen, eine Zeit zum Ernten, eine Zeit zum Suchen, …eine Zeit zum Verlieren,… eine Zeit zum Umarmen, eine Zeit, die Umarmung zu lösen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17218
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