Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute auf der 9. Etappe der „tour de france“ steht der höchste Berg der Tour auf dem Programm, bis auf 2.770 Meter geht es hinauf. Da hätte der Mann, von dem ich ihnen heute erzählen möchte, zu seiner Zeit ein wichtiges Wort mit zu sprechen gehabt. Gino Bartali, Profi von 1935 bis 1953, war einer der besten Radrennfahrer aller Zeiten. Besonders auf Bergetappen konnte er seine Gegner förmlich deklassieren. Es wird erzählt, manchmal habe er auf einer Passhöhe angehalten, um ein Gebet zu sprechen – was ebenso für seine Frömmigkeit spricht wie für seine Qualität als Bergfahrer. „Gino der Fromme“ wie ihn seine Kollegen gern nannten, machte bei jeder „tour“ einen Abstecher nach Lourdes, dem Marienwallfahrtsort im Südwesten Frankreichs. Während des Weltkrieges war er Mitglied einer christlich-jüdischen Untergrundgruppe. Er half mit, Hunderten von Juden die Flucht aus dem faschistischen Italien zu ermöglichen. Auf Trainingsfahrten schmuggelte er falsche Papiere im Rahmen seines Rennrades – praktizierte Nächstenliebe. „Es gibt Dinge im Leben, bei denen muss man etwas machen“, sagt er später einmal zu seinem Sohn. Kraft dazu holt er aus seinem Glauben und zwar ganz handgreiflich bei der Madonna von Ghisallo. Unter diesem Namen wird die Mutter Gottes seit mehreren Jahrhunderten nahe dem Dorf Magreglio verehrt, in Norditalien, oberhalb des Comer Sees. Der Pfarrer dort war ein guter Freund von Gino Bartali. Die beiden baten schließlich Papst Pius XII., die Madonna von Ghisallo zur Schutzpatronin der Radfahrer zu erklären; ihre Petition trug auch die Unterschriften vieler anderer berühmter Radrennfahrer. Heute ist die kleine Kirche zum weltweit bekanntesten Wallfahrtsort für Radsportler und Radfahrer geworden. Statt Fresken findet man an den Wänden Rennräder und Trikots – Zeichen des Dankes und des Vertrauens.
Aber auch Frankreichfreunde kommen nicht zu kurz.. 1989 führt die Tour de France direkt an der Kapelle Notre-Dame-des-Cyclistes, „Mutter Gottes der Radfahrer“ vorbei, auf der Fahrt von Bordeaux in die Pyrenäen. Auch diese Kapelle ist Wallfahrtsort, sie wird geschmückt mit den Rennrädern und Trikots bekannter und unbekannter Fahrer. Hier sitzen Menschen still in der Bank, zünden vielleicht eine Kerze an, beten und suchen– wie Gino Bartali sagt- „Kraft, für die Dinge im Leben, bei denen man etwas tun muss“.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1721
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