Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Der Mann heißt Gottlieb Fromm, trägt einen Lendenschurz und über ihm schwebt ein Heiligenschein. „Hallo Leute“, sagt er, „ich will euch durch die Bibel CD führen. Klickt euch mal durch und viel Spaß.“
Drei Kinder und ich sitzen vor dem PC und erleben die Bibel mal etwas anders. Nach einigen „Klicks“ sind wir bei der Erzählung vom barmherzigen Samariter angekommen. Heute kann man das Original aus dem Lukasevangelium in den katholischen Gottesdiensten hören. Sie erinnern sich: Ein Mann fällt auf der Straße zwischen Jericho und Jerusalem Banditen in die Hände. Er wird ausgeraubt, zusammengeschlagen und bleibt hilflos liegen. Ein Priester und ein Levit, hoch geachtete Männer im alten Israel, sehen ihn und gehen ohne zu helfen weiter. Erst der Samariter hilft.
Die Bildergeschichte auf meinem Computer sieht natürlich etwas anders aus. Da kommt zuerst ein Auto vom Pizzadienst vorbei. Das hält mit quietschenden Bremsen. Dann fragt uns eine freundliche Stimme: „Na, hilft er, oder hilft er nicht?“ Und wir müssen die richtige Antwort anklicken. In lockerer Folge erscheinen dann Batman, ein Krankenwagen, Robin Hood, der Papst im Papamobil, ja sogar ein Ufo mit einem kleinen, grünen Männchen. Keiner hilft. Die Kinder klicken mit Feuereifer weiter, lachen sich kaputt, als Rotkäppchen auftaucht und sind erst zufrieden, als ein einfach gekleideter Mann mit einem Esel am Strick auftaucht, den Verletzten versorgt und mitnimmt. Der Samariter tut das, was man viel eher von den anderen erwartet hätte.
„Das stimmt ja eigentlich nicht“, sagt Simon hinterher. “Batman hilft jedem, und der Krankenwagen muss doch helfen, oder? Warum hat er das dieses Mal nicht getan?“ Und dann muss ich ihm die ganze Geschichte noch einmal erzählen, wie Jesus mit den Gesetzeslehrern debattiert und er ihnen mit einer Gleichnisgeschichte erklärt, was für ihn wahre Nächstenliebe ist. Und dass es eben nicht darum geht, was man ist und vorzuweisen hat, sondern was man hier und jetzt tut. Da hat sich wohl über die Jahrtausende nicht viel verändert. Denn anscheinend haben die, denen es wirklich dreckig geht, die größten Chancen bei den Menschen, von denen man es am wenigsten erwartet, nämlich von denen, die selbst nicht viel haben. Wer selbst weiß, was Armut und Leid bedeuten, ist am schnellsten bereit, denen beizustehen, denen es auch schlecht geht.
Aber das zu sagen, verkneife ich mir beim Computerspiel. Diese Erfahrungen müssen die Kinder noch selbst machen.

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