Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wenns bei mir so weit ist – was hab ich dann vorzuweisen?“ Das hat mich mal eine Frau gefragt. Wir haben uns nach einer Beerdigung getroffen. Und da war ständig die Rede davongewesen, was der Verstorbene alles geleistet hat. Wie viel Gutes er getan hat, für seine Mitmenschen. Was er alles erreicht hat. Was für ein Vorbild er für alle war. 

„Und was hab ich dann vorzuweisen?“  Die Frau hat mich getroffen mit ihrer Frage. Dabei ist es doch verständlich. Der Wunsch, dass jemand am Ende des Lebens was Gutes über einen sagt. Verwandte, Freunde und Nachbarn. Dass sie sagen: Das war ein guter Mensch. Und vielleicht auch: Der hat es echt weit gebracht. Respekt!

Aber was, wenn ich mir eben nicht so sicher bin. Vielleicht gibt’s ja gar nicht so viel Gutes über mich zu sagen? Wenn ich mein Leben anschaue und mich frage: wie werde ich wohl einmal von den Leuten beurteilt. Und mancher denkt vielleicht auch: Wenn ich einmal vor Gott stehe. Wie werde ich da beurteilt? Von Gott? Ich war doch gar nicht so für meine Kinder da, wie ich eigentlich wollte.  Oder: zwanzig Jahre Schweigen zwischen mir und meinem Bruder, weil keiner von uns den ersten Schritt tun wollte. Damit stehe ich nicht gut da.

Aber ich glaube nicht, dass es bei Gott so zugeht. Dass er dann fragt: Mensch, was hast du vorzuweisen. Ich glaube, dass es eher wie in einer Geschichte sein wird, die Jesus einmal erzählt hat. Sie geht so:

Ein Sohn lässt sich von seinem Vater sein Erbe auszahlen und versucht sein Glück in der weiten Welt. Alles fängt gut an, aber endet im Misserfolg. Da beschließt er, zurückzukehren und seinen Vater um Arbeit zu bitten. Als er dann die Straße entlang kommt, rennt ihm der Vater schon entgegen. Er hat seinen Sohn von weitem kommen sehen. Und als der Sohn sagen will: „Ich habe überhaupt nichts vorzuweisen“, fällt ihm der Vater um den Hals. Er nimmt ihn wieder als seinen Sohn bei sich auf und feiert ein Fest.

Ich glaube, so wie dieser Vater ist Gott. Und was andere über mich sagen - ich denke nicht, dass mir das in dem Moment noch wichtig sein wird.

Wie gut, dass ich mir darüber nicht so viele Sorgen machen muss. Ich finde, das entlastet mich auch. Und ich hab mehr Freiheit, das zu tun, was mir wirklich wichtig ist. Zeit mit den Menschen verbringen, die mir etwas bedeuten. Das Leben genießen und meine Begabungen nutzen. Auch einfach mal was ausprobieren. Und dabei hoffentlich immer mehr verstehen, wie Gott ist. Wäre doch schön, wenn am Ende die Menschen darüber reden würden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17163
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