SWR2 Wort zum Tag

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 Die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff  hat vor wenigen Tagen eine Rede gehalten, die für Aufruhr sorgte. Vor allem ihre Überlegungen zur modernen Reproduktionsmedizin provozieren Widerspruch. O-Ton Lewitscharoff :„Der eigentliche Horror resultiert für mich (...) aus den Methoden, auf künstlichen Wegen eine Schwangerschaft zustande zu bringen.“ Was aber hat die Schriftstellerin dagegen? Was sträubt sich in ihr, wenn sie an künstliche Befruchtung und Leben im Reagenzglas denkt, an Leihmütter und Samenbanken?

Lewitscharoff warnt vor der Selbstermächtigung, die damit einhergeht. Vor der Ideologie des Machbaren. Denn wer sein Kind selbst erzeugen kann, statt es zu zeugen, der kann sich sein Wunschkind auch anhand gewisser Merkmale aussuchen. Mehr noch: Jeder, der sein Kind aussucht, quasi im Katalog bestellt, der hat genaue Vorstellungen davon, wie sein Kind werden soll. Und wenn das Kind dann nicht den Vorstellungen entspricht, was dann, fragt die Schriftstellerin.

Das Thema der Macht und des Umgangs mit der eigenen Macht ist ein Thema, das an die Religion rührt. Der Glaube verweist darauf, dass der Gedanke an Gott auch deutlich machen kann, dass eben nicht alles in unserer Hand liegt – und dass das auch gut so ist. Wenn ein Kind einfach so zur Welt kommt, dann können sich Eltern entlasten. Die Natur hat ihre Finger im Spiel, und es nicht so schlimm, wenn das Kind nicht total hübsch, superintelligent und auch noch eine Sportskanone ist. Gott, so der christliche Gedanke, nimmt jeden Menschen an – und deshalb können Eltern auch gelassen ihre Kinder annehmen und lieben, wie sie sind. In der modernen Gesellschaft allerdings, das hält Sibylle Lewitscharoff  fest, gilt das nicht mehr: Weil keine höhere Macht in unserer Gesellschaft gilt, müssen Eltern alle Verantwortung für ihr Kind tragen. Und das kann manchmal gnadenlos sein.

Ich weiß um das Leid von Eltern, die keine Kinder haben können. Und ich finde auch Lewitscharoffs Ton in dieser Debatte oft grenzwertig. Menschen sind niemals nur Halbwesen, wie die Schriftstellerin sagt.  Aber ihre überspitzten Formulierungen weisen auf ein wesentliches Thema der Diskussion hin. Es lautet: Wie gehen wir in unserer Gesellschaft  damit um, dass wir trotz aller Technik nicht die unbegrenzte Verfügungsgewalt über das eigene Leben haben?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17160
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