Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die „Option für die Armen“ ist ein altes Anliegen der Christen, das Papst Franziskus wieder aufgegriffen hat. Die wirkliche Sorge für Menschen in Armut, nicht nur unpersönliche Hilfsprogramme muss aus Sicht des Papstes im Mittelpunkt der kirchlichen Bemühungen stehen. Auch sind die Armen für ihn nicht bloße Hilfsobjekte, sondern von ihnen gibt es viel zu lernen. Menschen in Armut können natürlich berichten über ihre Lebenslage, auch über Auswege aus ihrer Not und hilfreiche Maßnahmen. Aber Papst Franziskus geht weiter: Wir müssen uns, so sagt er, von den Armen das Evangelium verkünden lassen. Denn sie haben eine besondere Nähe zu Jesus, der wie sie gelitten hat.
Die Armen als Verkünder des Evangeliums und die Kirche als aufmerksame Zuhörerin – auch das ist das Bild des Papstes von einer armen Kirche der Armen.
Der Papst gibt damit eine Sicht vor, die auch politisch brisant ist:
Die Armen sind nicht nur Ziel von Hilfsmaßnahmen, sondern sie sind maßgebliche Akteure, auf die zu hören ist. Aus der Option für die Armen wird die Option der Armen, deren Wort Gewicht hat.
Politisch gibt dies der Debatte um soziale Gerechtigkeit einen neuen Schub:
Meist diskutieren Politiker und Vertreter von Verbänden darüber, was sozial gerecht ist und welche Maßnahmen soziale Gerechtigkeit fördern. Natürlich werden auch Vereinigungen von Betroffenen angehört, und ihre Meinung ist nicht belanglos. Aber wir sind weit davon entfernt, dass wir uns von Menschen in Armut politisch das Evangelium verkünden ließen, wie es der Papst für die Kirche fordert.
Wenn wir mit dem Papstwort politisch ernst machen wollten, hätten wir noch einen wichtigen Schritt zu tun: Nichts könnten wir z.B. als sozial gerecht bezeichnen, was nicht auch arme Menschen als fair und gerecht bezeichnen würden. Was wirklich gerecht ist, darüber müssen diejenigen maßgeblich mitentscheiden, die auf diese Gerechtigkeit angewiesen sind und die aus ihrem Alltag authentisch wissen, was ungerecht ist. Die Option für die Armen reicht nicht aus, wenn uns die Option der Armen nicht interessiert.
Der Papst hat mit seinen Worten ein Samenkorn gelegt, das hoffentlich in der Kirche aufgeht. Aber ich wünsche mir, dass es auch in der Politik Wurzeln schlägt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17111
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