SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Vor mir steht ein riesengroßer, glänzender Geländewagen. Typ Allrad, Farbe weiß. Ein Traumauto und noch dazu geschenkt. Aber ich steige nicht ein.“
Das ist ein Traum vom Obdachlosenpfarrer Roland Renz aus Stuttgart. Er hat ihn auf einem Besinnungswochenende erzählt, bei dem ich auch dabei war. 
„Ich steige nicht in das Auto ein“ - dieser Satz ist mir hängen geblieben. Also mit anderen Worten: Pfarrer Roland Renz verzichtet auf das Auto, weil er es nicht für sein Leben braucht. Für mich bedeutet das: Eine klare Absage an den Konsumwahn und die Kaufwut, die ich oft in meinem Umfeld beobachte. Der Traum beschreibt ein regelrechtes Gegenprogramm. Diesen Mut zur Armut bewundere ich am Obdachlosenpfarrer.

Und was er geträumt hat, das lebt er auch. Ich glaube, Geld und Reichtum können bei ihm um die Wette glänzen, das beeindruckt ihn herzlich wenig. Sein Auftreten ist bescheiden und sein Herz weit. Roland Renz ist ein Pfarrer, der Mut macht.
Und das brauchen die Menschen auch, die zu ihm kommen.
Ihre Armut – äußerlich wie innerlich – hat ihnen den Lebensmut oft geraubt.
Viele der Menschen, die der Obdachlosenpfarrer begleitet, haben kein festes Dach über dem Kopf, stecken tief in der sozialen Armutsfalle und schaffen es ohne fremde Hilfe nicht mehr, auf die Beine zu kommen. Sie kennen die Armut, die weh tut, die hungern und dürsten lässt.

Bei diesem Pfarrer finden die wohnungslosen Menschen etwas, das es nicht zu kaufen gibt. Roland Renz erklärt es so: „Arm ist nur der Mensch, der nicht dankbar sein kann.“ Und Grund zur Dankbarkeit haben alle Menschen, wie er findet. „Ich lebe, und das ist für mich das größte Geschenk“, sagt er. „Dankbar zu sein ist wichtig, damit mein Herz nicht verhärtet“. Das bedeutet für ihn vor allem, Geduld mit sich und anderen zu haben und - einander zuzuhören. Und das kann er auch. Es ist beeindruckend, wie er anderen Menschen in die Augen schaut. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen. Er schaut die Menschen so intensiv an, als würde er ihnen direkt ins Herz schauen. „Ja, sagt er, das ist mir wichtig, wenn wir aneinander denken, dann wärmt sich unser Herz wieder auf – und dann kann ein wenig Hoffnung wachsen, dass es irgendwie weitergeht.“ So einfach klingt das. Einander die Herzen wieder aufwärmen. Ich glaube, dazu braucht es viel Mut. Eben auch Mut zur Armut. Der Obdachlosenpfarrer schmunzelt, denn er weiß, dass es wichtig ist, sein Herz für die Menschen einzusetzen – ohne dafür etwas zurückzuwollen, und schon gar keinen geschenkten Geländewagen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17100
weiterlesen...