SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Was Du nicht willst, was man Dir tu … – richtig: das füg´ auch keinem andern zu. Dieses Sprichwort kennt vermutlich jeder. Es ist die „Goldene Regel“ – wie Menschen miteinander umgehen sollten. Vor allem in der Schule sehe ich diesen Grundsatz an fast jeder Klassenzimmerwand stehen. Es ist wichtig im Umgang miteinander. Sonst würde das übliche Kräftemessen auf dem Pausenhof schnell ausarten.
Aber es leuchtet ja auch ein: Wenn ich nicht will, dass ich eine Ohrfeige bekomme, dann ohrfeige ich auch niemanden. Und, wenn ich nicht will, dass man mir was klaut, dann klaue ich auch nichts. Eigentlich ganz einfach. Vielleicht ist dieses Prinzip deshalb schon so uralt, weil es eben so einfach ist.
Diese einfache Regel gibt es auch in der Bibel – nur genau andersrum:
Genau so, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen! Jesus hat das gesagt. In einer ganzen Reihe von anderen Regeln, die er wichtig findet, damit Menschen gut miteinander leben können.
So rum gefällt mir diese Regel viel besser. Genau so, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen! Das ist positiv. Denn hier kann und muss ich was tun für das Miteinander. Bei der goldenen Regel, soll ich was lassen. Und das hat mit Angst zu tun.
Ich habe Angst davor, dass ich geschlagen werde, also haue ich auch niemanden.
Ich habe Angst davor, dass mir etwas geklaut wird, also lasse ich es auch sein.
Das ist bei dem, was Jesus gesagt hat, anders. Sie denken jetzt vielleicht: das ist doch eigentlich dasselbe. Irgendwie schon. Aber eben doch nicht ganz.
Denn ich lasse nicht etwas sein. Sondern ich tu was. Ich mache den ersten Schritt. Das kann was ganz kleines sein. Dass ich z.B. an einer Einfahrt mal jemanden ganz bewusst reinfahren lasse. Oder vielleicht, wie ich jemandem sage, dass er einen Fehler gemacht hat. Nicht zur Schnecke machen. Sondern ruhig und sachlich gemeinsam nach einer Lösung suchen.
Es geht beide Male um mich. Ich bekomme jedes Mal eine Empfehlung, wie ich mich verhalten soll. Aber das erste Mal geht es um meine Angst und das zweite Mal darum, was mir und dem anderen gut tut. Und ich kann wirklich was dafür tun. Ich kann positiv aktiv werden.
Und das finde ich besser, als bloß das nicht zu machen, was das Miteinander stören könnte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17089
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