SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

500 Piraten, Tiger und Feuerwehrleute. Zumindest waren es gefühlt so viele, die heute um mich rumgewuselt sind. Ich sage nur Kinderfasching. Es beeindruckt mich immer wieder, wie gerne sich Kinder verkleiden. Und auch viele Erwachsene. Es scheint einfach etwas Besonderes zu sein, sich für eine kurze Zeit in jemand ganz anderen zu verwandeln.
Wenn ich mir das recht überlege. Dann mache ich das ja eigentlich jeden Tag. In meinem Alltag verwandle ich mich auch ständig in jemand anderen. Ich bin Mitarbeiter, Kollege, Mann, Organisator, Freund, Sohn, Papa und als Papa natürlich auch Feuerwehrmann, Piratenkapitän oder ein furchteinflößender Tiger. Ob ich das gerade wirklich will, oder nicht, kann ich mir nicht immer aussuchen. Manchmal lächle ich, auch wenn mir gar nicht danach zu Mute ist. Oder sage: „ja gerne“, koche aber innerlich vor Wut, weil ich schon wieder Überstunden schieben muss. Und natürlich bin ich zum hundertsten Mal der böse Tiger, wenn es unsere Kinder zum Lachen bringt. Das gehört einfach irgendwie dazu. Und  das schöne dabei ist: Egal wer ich gerade bin – ich bin doch immer ich.
In einem Lied, das wir mit unseren Kindern gerne singen heißt es: „Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls. Keine Laune der Natur. Du bist ein Gedanke Gottes – eine genialer noch dazu. Du bist Du“.
Mir gefällt dieses Lied, weil es mich nicht festlegt. Kein anderer füllt alle meine Rollen genau so aus, wie ich. Die Kinder wissen: Das ist doch der Papa, auch wenn ich brülle wie ein schrecklicher Tiger – und haben keine Angst.
Und das, was ich sonst nicht bin – das kann ich mir ja dann als Faschingskostüm aussuchen. Da  kann ich dann ein Superheld sein – oder cool und lässig wie James Bond. Ich kann auch ein Clown sein, oder so eine Maske tragen, dass mich kein Mensch erkennt.
Ich kann das wirklich auch genießen, mal für ein paar Stunden jemand anderes zu sein. Und trotzdem freue ich mich, wenn ich das Kostüm wieder ausziehen kann. Um dann vielleicht neu festzustellen: Ich bin auch einfach gut so, wie ich bin. So wie mich Gott gedacht hat.

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