Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Gelegentlich wird die Bibel zitiert, um der eigenen Meinung mehr Autorität zu verleihen. Nach dem Motto: Wenn das, was ich sage, sogar in der Bibel steht, dann muss es einfach stimmen!
In einer Diskussionsrunde im Fernsehen beispielsweise, verurteilt einer der Redner die gleichgeschlechtliche Liebe. Und er begründet das mit dem 3.Buch Mose,  Kapitel 18, Vers 22, wo steht, dass Homosexualität ein Greul sei.
Natürlich kann man die Bibel an dieser Stelle zitieren und wortwörtlich verstehen. Aber müsste man es dann nicht auch an jeder anderen Stelle tun? Nach dem 2.Buch Mose 21,7 etwa ist es durchaus erlaubt, seine Tochter in die Sklaverei zu verkaufen. Wer Homosexualität aufgrund des biblischen Wortes ablehnt, kann dann doch eigentlich auch keine Einwände haben, wenn es um modernen Sklavenhandel geht. Oder?
Im selben Buch Mose (25,44) steht übrigens, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als weibliche – unter einer Bedingung: Dass ich sie von benachbarten Nationen erwerbe. Für uns wären das zum Beispiel die Holländer oder Franzosen. Na, auf deren Reaktion wäre ich ja mal gespannt!
Und wenn wir schon dabei sind: Die Nachbarin, die am Samstag die Wäsche aufhängt, müsste nach gut biblischer Tradition auch direkt umgebracht werden (2.Mos 35,2). Von all den Ehepartnern, die fremdgehen, mal ganz zu schweigen.
Die müssten nämlich sämtlich gesteinigt werden. Steht auch in der Bibel…
So ist das, wenn man die Bibel zitiert und wörtlich nimmt: Ganz schön gefährlich! Aber jetzt mal Spaß beiseite. Sollte man das mit den Bibelzitaten vielleicht überhaupt besser bleibenlassen?
Wenn es so geschieht, schon.
Aber es kommt vor, dass sich Menschen in einem Gespräch an einen Bibelspruch erinnern, der ihnen wichtig geworden ist. Der ihnen Halt gegeben hat, wenn sie nicht mehr weiter wussten. Und wenn sich ein biblisches Wort auf diese Weise mit den eigenen Erfahrungen verbindet, dann bekommt es einen ganz anderen, einen tieferen Sinn. Deshalb geben wir den Leuten ja auch einen  Konfirmationsspruch oder Trauspruch mit auf den Weg.
Damit er in ihnen nachreift. Und eine eigene Bedeutung gewinnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17085
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