Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Immer diese erfunden Geschichten!“ Sagte ein befreundeter Arzt. Und damit meint er die Arztserien im Fernsehen. Wenn da der Gynäkologe noch schnell die Herz-OP übernimmt, nebenbei ein Kind wiederbelebt, den Angehörigen seelsorgerlichen Beistand leistet und von früh bis spät in die Nacht ein offenes Ohr hat für die Sorgen seiner Mitarbeiter... – dann kriegt er zu viel.
„Aber der ganz normale, ärztliche Alltag“, wende ich ein, „glaubst du wirklich, der ist schon filmreif? - Natürlich ist so eine Serie nicht realistisch. Aber als Zu-schauerin will ich doch einfach nur spannend unterhalten werden.“
„Ja“, sagte er. „Aber manche Leute am Fernsehen meinen, das wäre echt.
Grad vor kurzem hat ein Patient im Krankenhaus zu mir gesagt: Ein bisschen mehr Schwarzwaldklinik täte Ihnen auch gut.“
Guter Einwand.
Und eigentlich geht es mir ja genauso. Da gibt’s zum Beispiel diese Sendung „Polizeiseelsorgerin Lena Fauch“, mit Veronika Ferres in der Hauptrolle. Lena Fauch, die Serienpfarrerin, hat immer einen flotten Bibelspruch auf den Lippen. Mich nervt das gewaltig, weil das mit der Wirklichkeit rein gar nichts zu tun hat. Mit Bibelsprüchen wende ich mich einem Menschen nicht zu - ich speise ihn ab. Und weil das so ist, kenne ich auch keine einzige Pfarrerin, die das tut: Bibelsprüche klopfen.
Aber vielleicht geht es ja um mehr als nur richtig oder falsch.
Ich glaube, viele wollen jenseits guter Unterhaltung auch ein bisschen was Wahres erfahren: Wie geht beispielsweise ein Arzt damit um, wenn er nicht helfen kann? Hält er es aus, keine Floskeln von sich zu geben? Kann er einfach einen Moment bei dem Patienten oder den Angehörigen verweilen und die Tränen ertragen…?
Ich erlebe das häufig so im Krankenhaus. In schwierigen Situationen ist es oft am hilfreichsten: einfach nur mit aushalten und schweigen. Und ertragen, was gerade ist.
Dann könnte Fernseh-Unterhaltung sogar ein bisschen Lebenshilfe sein. Wenn sie uns Vorbilder an die Hand gibt: So kann man eine schwierige Situation aushalten. Man muss nicht immer in die heile Welt der Schwarzwaldklinik flüchten. Denn das Leben mutet uns schon was zu. Und wir müssen es ertragen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17083
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